Nur Big Brother darf geliebt werden

Homburg · Nur wenige Zuschauer sahen Orwell's „1984“ auf der Homburger Saalbau-Bühne. Lob gab es für die Schauspieler der Burghofbühne Dinslaken.

 Die Theater-Adaption von George Orwells „1984“ im Homburger Saalbau sparte nicht mit Brutalität: Folterer O'Brien (Dirk Hermann) setzt Winston (Patric Welzbacher) zu. Foto: Sebastian Dingler

Die Theater-Adaption von George Orwells „1984“ im Homburger Saalbau sparte nicht mit Brutalität: Folterer O'Brien (Dirk Hermann) setzt Winston (Patric Welzbacher) zu. Foto: Sebastian Dingler

Foto: Sebastian Dingler

1948 schrieb George Orwell den Roman "1984", jene bedrückende Zukunftsgeschichte, die in dem extremen Überwachungsstaat Ozeanien spielt, der das Leben der beiden Liebenden Julia und Winston auf brutale Weise zerstört. Nach glatter Abendunterhaltung klingt das nun nicht; insofern dürfte es sich um ein paar weniger gut informierte Besucher gehandelt haben, die den Saalbau am Donnerstagabend frühzeitig verließen. Dort stand nämlich die Theater-Adaption von "1984" auf dem Programm. Die Inszenierung der Burghofbühne Dinslaken oder die schauspielerische Leistung waren bestimmt nicht Schuld daran, dass manche früher gingen - es war wohl der krasse Stoff selbst dafür verantwortlich. Denn das Verhältnis zwischen den Hauptdarstellern Julia (Julia Sylvester) und Winston (Patric Welzbacher), das so romantisch beginnt, endet in der grausamen Folter beider.

Dazu benutzte die Inszenierung ein heruntergeklapptes Metallblech, auf das Folterer O'Brien (Dirk Hermann) mit lautem Getöse eindrosch, zuckende Lichtblitze verstärkten den Eindruck von Grausamkeit - das war dann zu viel für manch schwache Nerven. Monika Frisch aus Kirkel beklagte: "Ich finde es sehr schade für eine Stadt wie Homburg, dass das Theater so wenig besucht war. Damit stimmen die Leute ab für bestimmte Stücke." Tatsächlich war der Saalbau mit etwa 150 Zuschauern schwach besetzt, was sicherlich auch an der "schweren Kost" des Orwell'schen Romans lag. Viel Lob gab es hinterher aber für die schauspielerische Leistung. Simone Heller aus Zweibrücken sagte, dass sie die Vorstellung zwar als bedrückend und Angst einflößend empfand, aber doch "toll gemacht von den Schauspielern". In sechs großen Zellen spielten sich die verschiedenen Szenen ab, die auch immer wieder von Kameras begleitet wurden - naheliegend in der utopischen Welt Orwells, in der der Staat, repräsentiert durch den allmächtigen Big Brother, über jegliche Privatheit der Bürger informiert sein möchte, ja sogar die Gedanken der Menschen beherrschen möchte. Julia und Winston können sich diesem Terror nur sporadisch entziehen und erleben dabei ein kurzes Glück; sie glauben in dem undurchsichtigen O'Brien einen Verbündeten zu haben. Dieser weiht sie in die Geheimnisse der revolutionären "Bruderschaft" ein, der man bedingungslos zu dienen habe - Julia und Winston sind zu allem bereit, nur nicht dazu, ihre Liebe aufzugeben. Doch O'Brien ist in Wirklichkeit ein Spion von Big Brother; das Liebespaar wird geschnappt und ausgerechnet im "Ministerium für Liebe" gefoltert.

Denn geliebt werden darf in Ozeanien nur einer: Der gesichtslose Big Brother und seine Staatspartei. So modern die Inszenierung für manche Besucher daher kam, so wenig nahm sie doch konkreten Bezug auf eine Gegenwart, in der Facebook danach forschen lässt, wie Gedanken in Buchstaben umgesetzt werden können oder in der Geheimdienste tiefen Einblick in den digitalen Austausch der Bürger nehmen. Anscheinend reichte es Regisseur Mirko Schombert, die ewige Aktualität des Romans für sich sprechen zu lassen. Für Irritationen sorgte auch der Schluss, bei dem die Hauptfigur Winston zusammenbricht, nachdem sie ein Videobild von Julia liebkost hatte: Nach einer Minute Dunkelheit und Stille regte sich schwacher Applaus, ehe auch von der Bühne signalisiert wurde, dass das Stück nun zu Ende ist. Erst da trauten sich die Zuschauer, einen langen Beifall zu spenden.

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Das Theaterstück "1984" nach dem Roman von George Orwell wurde von der Burghofbühne Dinslaken aufgeführt. Inszeniert hat Mirko Schombert, gespielt haben Patric Welzbacher, Julia Sylvester, Dirk Hermann, Anton Schieffer und Marie Förster.

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