Saarbrücker Poetry-Slam Es lebe der Wortwitz, gern auch der Hintersinn

Saarbrücken · Elf Slammer, manche von Lampenfieber geplagt, andere von kesser Unbekümmertheit und dazu 260 Zuschauer, die per Applausometer votierten: Am Ende hatte beim Saarbrücker Poetry Slam die saarländische Meisterin die Nase vorn.

 Runde Sache im Saarrondo: Andrea Maria Fahrenkampf, die den Saarbrücker Poetry Slam am Samstag gewann, bei ihrem souveränen Auftritt.

Runde Sache im Saarrondo: Andrea Maria Fahrenkampf, die den Saarbrücker Poetry Slam am Samstag gewann, bei ihrem souveränen Auftritt.

Foto: Kerstin Krämer

Wenn der Andrang für einen Poetry Slam so heftig ist, dass er an einen größeren Veranstaltungsort umziehen muss, braucht einen um Literatur nicht bange zu sein. Zumindest spricht es für ein Interesse am vorgetragenen Wort, wovon denn auch die bislang durchweg erfreuliche Resonanz auf die Literaturtage „erLesen!“ zeugt, in deren Rahmen nun auch der Slam stattfand: Stefan Wirtz vom Conte-Verlag, der das vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels angestupste Lesefestival im Verbund mit anderen saarländischen Verlagen und Buchhandlungen organisiert, zog am Samstag eine positive Halbzeitbilanz der aktuellen 2. Ausgabe.

Gut 260 verkaufte Karten: Die ursprünglich vorgesehene Kantine des KuBa konnte die Massen nicht fassen, so dass der Dichterwettstreit kurzfristig ins benachbarte, im gleichen Quartier gelegene Saarrondo umquartiert wurde. Dort stellten sich insgesamt elf Autoren, auf Grüppchen verteilt, dem Urteil des wohlwollenden Publikums – ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen, das Spektrum reichte von seicht bis anspruchsvoll, von unbeholfen bis professionell. Jeder Teilnehmer hatte sieben Minuten, um seine eigenen Texte zu präsentieren. Hilfsmittel wie Musikinstrumente waren verboten; erlaubt waren dagegen theatralisches Auskosten und alle Formen des stimmlichen Ausdrucks, bis hin zum – in zitathaften Ausschnitten gestatteten – Gesang. Gewertet wurde mittels Applausometer; über die Reihenfolge entschied das Los in Person einer jungen Glücksfee aus Zuschauerreihen.

 Außer Konkurrenz und damit in der Rolle des so genannten „Opferlamms“ ging die sichtlich aufgeregte Vanessa Bender an den Start: Mutig stellte sie sich dem stattlichen Auditorium und erntete Anerkennungsbeifall. „Je später jemand auftritt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, zu gewinnen“, orakelte eingangs Moderator Christoph Endres. Ausnahmen beschädigen bekanntlich die Regel, aber im Falle von Schriftsteller Bernd Nixdorf sollte Endres, der als Organisator des über zwölf Jahre stetig gewachsenen Poetry Slams „Dichter­dschungel“ aus Erfahrung sprach, recht behalten. Nixdorf, der ein leicht modifiziertes Kapitel aus seinem mit Kritikerlorbeeren bekränzten Roman „Eine intime Vertraute“ vortrug, wurde gleich zweimal Erster: Er war der Erste, der vorlas, und der Erste, der rausflog. Ist doch literarische Qualität nicht unbedingt ein Kriterium für Erfolg bei Poetry Slams: Hier zählen vor allem Unterhaltungswert und Performance.

 Auf gleich allen drei Gebieten ein beständiger Garant für Niveau ist der Saarbrücker Platzhirsch Mark Heydrich, der es mit seiner geschliffenen, rhythmisiert vorgetragenen und gleichermaßen wortgewitzten wie hintersinnigen Prosa erwartungsgemäß ins Finale schaffte. Das gelang auch dem jungen Fabian Heise, der mit seiner schüchtern zurückhaltenden Art einen Sympathiebonus errang und damit einen für ihn selbst überraschenden Achtungserfolg verbuchte. Dass dagegen Nelia Dorscheid, eine routinierte Größe der hiesigen Slam-Szene, mit ihrer komplexen Prosa nicht weiterkam, mag nicht zuletzt den Wettbewerbsmodalitäten geschuldet sein: Im gruppeninternen Stechen musste die Lokalmatadorin aus dem Vorstand des Saarländischen Schriftstellerverbands direkt mit ihrem Vorstandskollegen Heydrich konkurrieren und unterlag.

 Mit kesser Unbekümmertheit behauptete sich die blutjunge Lea Sophie Keller aus Trier, während Anzhelika Konovalova und Manuel Striebel (Ulm) sich im Duo in zwar heiteren, aber hinlänglich bekannten Klischees über Paarbeziehungen verhaspelten. Mit ernsten und nicht eben slam-tauglich leicht konsumierbaren Texten einen vergleichsweise schweren Stand hatten Yvonne Lachmann, Irina Rosenau und Natascha Denner, alle drei aus Saarbrücken. In der B-Note punktete hier vor allem Lachmann mit konzentriertem und auswendigem Vortrag. Letzterer war es womöglich auch, der Andrea Maria Fahrenkampf in Sachen Bühnenpräsenz das entscheidende Quentchen Vorsprung gegenüber Heydrich verschaffte: Am Ende hatte die 2017 zur saarländischen Meisterin im Poetry Slam gekürte Saarbrückerin die Nase vorn.

 Kleine Frau, große Stimme: Fahrenkampf war die einzige, die gekonnt auch die Möglichkeit des Singens ausschöpfte und sich damit einen weiteren Vorteil verschaffte. Abgeklärt überzeugte sie sowohl mit souveräner Präsentation wie inhaltlich. Wobei man der Struktur, dem teils selbstironischen Witz und emotionalem Kalkül ihrer virtuos gereimten Beiträge freilich deutlich anmerkte, für welchen Zweck sie konzipiert wurden. Dass im allgemeinen Organisations- und Verlegungschaos offenbar völlig vergessen wurde, einen Preis zu besorgen und an Ort und Stelle zu übergeben – Schwamm drüber: Ein Buchpaket und ein Blumenstrauß werden der Gewinnerin laut Veranstalter nachgereicht.

„erLesen!“ läuft noch bis 13. April. Infos: www.erlesen-saarland.de

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