Der Klassenclown rechnet ab

Neunkirchen · „Versetzung gefährdet“ hat Chris Tall sein erstes Comedy-Programm betitelt. Die Schulanekdoten sind allerdings gespickt mit jeder Menge Improvisation – und davor ist auch das Publikum nicht sicher.

Es war ein bisschen wie im Zirkus. Erst freut man sich diebisch über die geniale Sicht aus der ersten Reihe, später hat man Kamelspeichel auf der Jacke und tüchtig das Zittern gelernt, weil der Clown ständig "Freiwillige" zwangsrekrutierte. So ähnlich läuft das auch bei Chris Tall. Doch erstmal gab es bei seinem Auftritt im gut besuchten Stummschen "Kuhstall oder war es der Pferdestall?" Pink Floyds "Another Brick in the Wall", gefolgt von einem "fetten Intro" mit Lichtshow und Siegersound. Statt Henri Maske witschte dann allerdings "nur" ein gut genährtes Spätpubertier auf die Bühne. Ein krass lustiges, wohlgemerkt. Nicht von ungefähr hat Tall den RTL-Comedy-Grand Prix 2013 abgeräumt.

"Versetzung gefährdet" ist das erste Bühnenprogramm des 23-jährigen Neu-Kölners mit Hamburger Wurzeln. Eine Abrechnung mit seiner Schulzeit, aus der er mit einem Vierer-Abi und einem ordentlichen Selbstbewusstsein als Klassenclown-Phönix der Asche entstieg. Eine gute Basis also, um sich mit dem altersgemäß gut durchmischten Publikum zu verbrüdern: "Im Grunde waren wir alle auf der gleichen Schule, egal, ob ihr 14 seid oder 14 geboren." Schließlich hat jeder so seine Erinnerungen, bei Tall vor allem die an die Mathelehrerin, die auch als Domina Karriere machen könnte oder den Englischlehrer, der einen eingebauten Sensor für Angstschweiß hat.

Jetzt steht Tall mit Genuss auf der anderen Seite und fragt den Zuschauern Löcher in den Bauch, um sie anschließend gehörig und gern auch fröhlich anzüglich durch den Kakao zu ziehen à la "Das hab ich verstanden, Jörn, niemand mag Klugscheißer" oder "Ich dachte schon, uns geh'n die Assis aus; schön, dass ihr da seid". "Das ist Comedy ", entschuldigt er sich zwischen durch immer mal wieder pro forma. Ein paar älteren Semestern ging Talls Dreistigkeit wohl zu weit, nach der Pause blieben ihre Plätze frei: prima für Tall, der jetzt noch ungebremster ablästern konnte.

Der zweite Teil war der TV-Verarschung im Allgemeinen und "Psycho Andreas" im Besonderen gewidmet. Der hatte es beim "Frauentausch" auf RTL2 mit einer besonders aparten Mischung aus dumm und aggressiv zu einer gewissen Berühmtheit gebracht - "Halt, jetzt red' ich, das Kinderzimmer ist sauber" - was Tall hinreißend in verschiedenen Situationen wie am Drive In-Schalter bei Burger King parodierte. Genau wie "Shopping Queen"-Juror Guido Maria Kretschmer: "Das Kleid tut nichts für dich, es bringt nicht mal den Müll runter." Am Ende legt er gar mit Jörn ein Versöhnungstänzchen hin. So war Sitzenbleiben durchaus eine Wunschoption des Publikums.

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