Leerstände „Die Talsohle ist wohl durchschritten“

Illingen · Das Leerstandvirus grassiert in der Illinger Hauptstraße. Die SZ hat mit Geschäftsleuten und Gewerbetreibenden vor Ort gesprochen.

Klar, der Dauerregen macht es nicht besser. Aber auch bei Sonnenschein betrachtet, fällt auf, dass es in der Illinger Hauptstraße immer neue Leerstände gibt und in den kommenden Wochen auch noch geben wird. So kündet ein Schild an der Kerpen-Buchhandlung von Jutta Johannes vom nahenden Ende am 17. Februar. Die ambitionierte Buchhändlerin gibt aus Alters- und Gesundheitsgründen auf. „Zuerst wollte ich noch einen Nachfolger suchen und einarbeiten, doch das ließ sich doch nicht verwirklichen“, bedauert Jutta Johannes das Ende des Illinger Traditionsgeschäftes. Zu Ende geht es in diesen Tagen auch mit Licht und Ambiente, einem Fachgeschäft mit breitem Angebot von hochwertiger Kosmetik bis zu Bauhaus-Klassikern. Auch hier spielte das Älterwerden eine Rolle.

In dieser Art der Fluktuation sieht Oliver Bremerich, Mitglied der Vorstandes des örtlichen Verkehrs- und Gewerbevereins (VGV) und selbst Textil-Händler, allerdings nicht das eigentliche Problem. „Die Laufkundschaft wird spürbar weniger, der Internet-Handel schöpft immer mehr Kaufkraft ab“, so Bremerich. Nicht zufrieden ist er auch mit der Haltung von Ladenlokal-Vermietern, die in Verkennung der aktuellen Situation des Handels wenig Flexibilität bei der Gestaltung der Mietpreise erkennen ließen. Wer in der glücklichen Lage sei, sein Geschäft in der eigenen Immobilie zu betreiben, könne die eine oder andere Krise leichter überwinden.

Wie Bremerich setzen viele Illinger Geschäftsleute und Gewerbetreibende auf einen positiven Effekt für den Standort Illingen durch die Fertigstellung des ersten Bauabschnittes der Brauturmgalerie (BTG) mit der Eröffnung des Rewe-Marktes im Herbst. „Wir sind froh, dass es damit ein neues Geschäfts- und Wohnzentrum mitten im Ort gibt, das auch die eingesessenen Anbieter beleben kann.“ Wobei dieses neue Quartier, das von Bürgermeister Dr. Armin König und dem gesamten Gemeinderat unterstützt wird, für so manchen Betrieb offenbar zu spät kommt. Schon länger steht das recht große Lokal des ehemaligen Schlecker-Marktes wieder leer, gegenüber von Bremerich Jeans warten zwei kleinere Läden (einer davon war ein Tatoo-Studio) auf Wiederbelebung, die Bäckerei Hoffmann hat ebenso aufgegeben wie Mode am Markt. Dazwischen noch weitere öde Fensterflächen, an die sich der regelmäßige Illingen Besucher längst gewöhnt hat. „Ich hoffe, wir haben jetzt das Tal durchschritten“, bringt es ein durchaus optimistischer Oliver Bremerich auf den Punkt. Er selbst sieht sich dank trendiger Nischen-Produkte und viel besuchter Events für Kunden und Freunde gut aufgestellt für viele weitere Jahre in Illingen. Er, wie auch seine Kollegen, vermissten aber die Illinger als Kunden. „Heimatshoppen“, das sei für viele, die nachher über die Verödung klagten, ein Fremdwort.

Illinger Leuchttürme wie Möbel Dörrenbächer mit seinem in Sortiment und Präsentation großstädtischen Angebot, wie Sport-Stiwi mit dem anerkannt guten Service für Ski (im Winter) und Räder (im Sommer) oder Reitsport Beyer, der dem nahen Branchen-Riesen Krämer trotzt, sorgen für zufriedene Kunden, die oft von weither kommen. Die dann auch durchaus bereit sind, sich weiter im Ort umzusehen, wo es mit den vielen von Inhabern geführten Geschäften noch viel Individuelles von Kopf bis Fuß gibt. Damit unterscheidet sich Illingen nämlich von den seelenlosen Shopping-Malls der großen Einkaufszentren, die mittlerweile bei etlichen Kunden eher für Langeweile sorgen.

In Optimismus macht auch einer, der sich in der Illinger Hauptstraße jetzt neu angesiedelt hat: Bastian Gerhardt hat sich soeben mit seiner Fußbodenbau-Firma selbstständig gemacht. Direkt neben dem Friseur-Salon seiner Frau Caroline Maas ist er dabei, den Ausstellungsraum für seine Zwecke umzugestalten. Zurzeit arbeitet der Existenzgründer noch als Ein-Mann-Unternehmen. „Aber es läuft schon gut, ich werde wohl bald personell aufstocken“, so Bastian Gerhard. Hut ab vor solchen jungen Leuten, die ganz offensichtlich nicht jammern, sondern anpacken wollen, um auf eigenen Füßen zu stehen. „Solche Leute brauchen die Orte, um gegen die benachbarten Zentren zu bestehen“, setzt auch Oliver Bremerich für den Gewerbeverein auf Nachwuchs, der sich was traut.

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