Mit 50 sind wir raus

Ich verliere an Bedeutung. Jeden Tag ein Stückchen mehr. In einigen Jahren ist es dann soweit: Ich bin bedeutungslos. Sobald ich 50 bin, nehmen sie mich nicht mehr ernst. Dann gehöre ich nicht mehr zur "werberelevanten Zielgruppe". So nennen die Fernsehleute Menschen zwischen 14 und 49 Jahren

Ich verliere an Bedeutung. Jeden Tag ein Stückchen mehr. In einigen Jahren ist es dann soweit: Ich bin bedeutungslos. Sobald ich 50 bin, nehmen sie mich nicht mehr ernst. Dann gehöre ich nicht mehr zur "werberelevanten Zielgruppe". So nennen die Fernsehleute Menschen zwischen 14 und 49 Jahren. Ich habe mich erkundigt: Je mehr Menschen aus dieser Gruppe zuschauen, desto teurer ist die Werbung im Fernsehen.Aber wieso bis 49? Ein durchschnittlicher 50-Jähriger hat doch mehr Geld, um das Zeug, für das geworben wird, zu kaufen, als ein durchschnittlicher 17-Jähriger. Gibt es also etwas, das die Fernsehwerber wissen, wir anderen Menschen aber nicht? Ist es vielleicht so, dass Menschen ab 50 so überdurchschnittlich an Blasenschwäche leiden, dass sie eh keine Werbung schauen, weil sie jede Werbeunterbrechung im Fernsehen geradezu herbeisehnen, um auf die Toilette zu gehen? Traut man jetzt schon 50-Jährigen nicht mehr zu, sich eine Werbung über Nacht zu merken, damit sie am nächsten Tag noch in der Lage sind, das richtige Produkt zu kaufen?

Eine große Diskriminierungskampagne? Der Versuch, aus Menschen im besten Alter Versager zu machen? Als ich vor ein paar Tagen vor einem dieser Plakate mit fünf Buchstaben, die jetzt überall in der Stadt hängen, stand, habe ich alle diese Theorien beerdigt. "Maybe" steht da, auf Deutsch: "vielleicht". Das "May" ist mit einem roten Kreuzchen durchgestrichen. Bleibt "be", also "sein".

Muss ich dieses englischsprachige Wortspiel verstehen? Nein. Aber ich wollte es verstehen. Also habe ich mich im Internet schlau gemacht. Es handelt sich dabei offenbar um Werbung für Zigaretten. Da wurde mir klar: Ich bin zwar biologisch noch keine 50, aber offenbar im Kopf. Ich bin für sowas nicht mehr geeignet. Die Botschaft erreicht mich nicht. Ich gehöre nicht mehr zur werberelevanten Zielgruppe. Und das ist keine Diskriminierung, das ist eine Gnade. Ich nehme das alles nicht mehr Ernst. Es wird bedeutungslos. Wie wundervoll: jeden Tag ein Stückchen mehr.

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