Es ist normal verschieden zu sein Wie Frauen den Spagat zwischen Familie und Beruf erleben

Merzig · „Es ist normal, verschieden zu sein“: Unter diesem Motto stand ein Fachtag im Mehrgenerationenhaus des SOS-Kinderdorfes Saar in Merzig.

 Das Podium von links: Nicole Nüttgens von der Landesmedienanstalt; Bernadette Schroeteler, die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Merzig-Wadern; Anja Hexamer vom Familienzentrum Perl-Mettlach; Dorothee Merziger von der Agentur für Arbeit und Chaima Jabali.

Das Podium von links: Nicole Nüttgens von der Landesmedienanstalt; Bernadette Schroeteler, die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Merzig-Wadern; Anja Hexamer vom Familienzentrum Perl-Mettlach; Dorothee Merziger von der Agentur für Arbeit und Chaima Jabali.

Foto: Ursula Seimetz

„Familie – Aufbruch zu neuen Ufern“ war das Thema einer Fachtagung, zu der sich kürzlich 30 pädagogische Fachkräfte im Mehrgenerationenhaus des SOS-Kinderdorfs in Merzig trafen. Leiterin des Workshops war Professor Christel Baltes-Löhr von der Universität Luxemburg. Alltägliche und berufliche Entscheidungen sind trotz aller Bemühungen zur Gleichstellung noch immer an alten Rollenverteilungen orientiert. Diesem Thema widmeten sich am Vormittag Referate der Workshopleiterin sowie diverse Arbeitsgruppen. In einem zweiten Teil der Veranstaltung nahmen Expertinnen unterschiedlicher Bereiche Stellung zum Thema und diskutierten mit den Teilnehmenden.

Dorothee Merziger ist die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit Rheinland-Pfalz/Saarland. Sie berät viele Frauen, die in den Beruf zurückkehren wollen. Ihre Erfahrung schilderte sie wie folgt: „Wiedereinsteiger, ob nun Mann oder Frau, werden bei ihrer Entscheidung durch die Familie beeinflusst.“ Das alte Rollenbild, der Mann ist für das Finanzielle zuständig und die Frau für den Haushalt, sei überholt, aber setze sich immer noch viel zu oft durch. „Dies ist gefährlich, wenn sich Männer oder Frauen von ihrem Partner nach einer langen Zeit trennen“, fügte Merziger hinzu. Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Merzig-Wadern, Bernadette Schroeteler, wünschte sich einen „Beipackzettel“, der Frauen schon in der Schule ausgehändigt werden soll. „Eine Art Leitfaden, der wichtige Hinweise enthält, wie beispielsweise niemals eine Vollzeitstelle in der Schwangerschaft oder Elternzeit zu kündigen“, fügte Schroeteler hinzu. Ihre Wunschvorstellung wäre, dass die Hälfte der Führungspositionen von Frauen besetzt werde.

Nicole Nüttgens, Referentin bei der Landesmedienanstalt Saarland, warnte vor dem zu frühen Zugang für Kinder zu Smartphones, sozialen Netzwerken und Spielekonsolen. Eltern würden ihren Kindern die Smartphones oder Tablets zur Verfügung stellen, um ihre Ruhe zu haben, zum Beispiel im Urlaub oder beim Essen. Außerdem befänden sich Kinder zu oft auf Seiten im Internet, für die sie schlichtweg zu jung seien. Nüttgens mahnte: „Das darf man nicht zulassen!“ Es sei wichtig, den Überblick zu behalten, wo und mit wem sich die eigenen Kinder im Web herumtreiben.

Chaima Jabali ist seit einem Jahr und sechs Monaten mit ihrer Familie in Deutschland. Sie hat inzwischen die deutsche Sprache recht gut erlernt und besucht eine weiterführende Schule in Merzig. Sie muss oft bei wichtigen Terminen für ihre Familie übersetzen. „Das ist eine große Verantwortung für mich“, sagte Jabali. Es würde sie freuen, wenn Männer und Frauen zukünftig gleiche Rollen in der Familie übernehmen würden.

Anja Hexamer vom Familienzentrum Perl-Mettlach hat die Erfahrung gemacht, dass sich Familien sehr unter Druck setzen, um gesellschaftlichen Ansprüchen zu genügen. „Vor Jahren passte sich die Umgebung den Bedürfnissen der Kinder an, heute erlebe ich es umgekehrt. Die Kinder müssen sich den Erfordernissen der Umgebung anpassen“, so Hexamer. Habe sich vor 20 Jahren eine Frau rechtfertigen müssen, wenn sie vor dem dritten Lebensjahr ihres Kindes ihre Berufstätigkeit wieder aufgenommen habe, so müsse sie sich heute rechtfertigen, wenn sie länger als ein Jahr Erziehungszeit nehme. Sie plädierte dafür, Familien in ihrer Erziehungsaufgabe mehr zu stärken. Bernadette Schroeteler machte darauf aufmerksam, dass viele Familien es sich gar nicht leisten können, dass ein Elternteil nicht arbeiten geht. Workshop-Referentin Christel Baltes-Löhr sagte abschließend: „Unser Kernproblem ist die Schnelligkeit, mit der wir in der heutigen Zeit agieren müssen und der Druck, der dadurch auf uns alle entsteht.“

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