Merzig-Wadern Feindseligkeit gegenüber den Franzosen

Vor kurzem war es genau 100 Jahre her, dass durch den Waffenstillstand im Wald von Compiègne am 11. November 1918 nach viereinhalb langen Jahren endlich die Waffen schwiegen und der Erste Weltkrieg zu Ende ging. In dieser Artikelserie soll nachgezeichnet werden, wie die Menschen in der Merziger Region das Kriegsende 1918 mit seinen dramatischen Umbrüchen erlebten.

 „Die ersten Besatzungstruppen vor der Stadt“ ist dieses Bild aus einem privaten Archiv beschrieben, das einen französischen Soldaten und neugierige Merziger Jungen wohl kurz vor dem Einmarsch der Besatzungstruppen am 1. Dezember 1918 in Merzig zeigt.

„Die ersten Besatzungstruppen vor der Stadt“ ist dieses Bild aus einem privaten Archiv beschrieben, das einen französischen Soldaten und neugierige Merziger Jungen wohl kurz vor dem Einmarsch der Besatzungstruppen am 1. Dezember 1918 in Merzig zeigt.

Foto: Archiv Regler

Es ist bereits an früherer Stelle darüber berichtet worden, dass seit dem Ausbruch der Revolution in Deutschland die öffentliche Sicherheit und Ordnung auch in der Merziger Region immer mehr in Frage gestellt worden war. Es war in mancherlei Hinsicht zu einem regelrechten Verfall von Sitte und Moral gekommen. Recht und Gesetz wurden vielfach missachtet, weil die Autorität des Staates durch den Umsturz zunehmend in Frage gestellt wurde.

Der Mord an dem Haustadter Polizeidiener Henz ist dabei bereits als trauriges Beispiel angeführt worden. Ein weiteres Beispiel dafür, dass auch die neu aufgestellte Merziger Bürgerwehr nur teilweise für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung garantieren konnte, ist die folgende Notiz in der Merziger Zeitung vom 27. November 1918, in der es heißt: „Allabendlich werden in Merzig und Umgegend Schüsse gehört. Von wem die Schießerei ausgeht, ist uns nicht bekannt. Wir möchten nochmals daran erinnern, dass die Zivilbevölkerung sofort alle Waffen abzuliefern hat.“

Die französischen Militärbehörden hatten die vorstehend bereits erwähnte Anordnung, dass Waffen aller Art bei den Bürgermeisterämtern abzuliefern waren, unmittelbar nach der Übernahme der Besatzungsgewalt verkündet. Diese Anordnung betraf sowohl Kriegs- als auch Jagdwaffen. Letztere sollten den Eigentümern zu einem späteren Zeitpunkt nach ihrer Registrierung durch die Militärbehörden allerdings wieder zurückgegeben werden.

Am 1. Dezember 1918 schließlich wurde auch Merzig von französischen Truppen besetzt. „Die französische Besatzung ist gestern hier eingerückt“, meldete die Merziger Zeitung in ihrer Ausgabe vom 2. Dezember. „Auch heute traf noch eine größere Anzahl französischer Truppen hier ein, die hier und auf die Nachbargegend verteilt wurden.“

Die Franzosen hissten auf dem Dach des Merziger Rathauses die Trikolore. Das Amt des Militärkommandanten von Kreis und Stadt Merzig übte zunächst in Personalunion Major de Job aus. Wenige Tage später übertrug er die Stadtkommandantur an Capitaine Pricke. Die Kreiskommandantur richteten die Franzosen im Gebäude des Landratsamtes, die Stadtkommandantur im Stadthaus ein.

Auch in den Ortschaften des Kreisgebietes bezogen, zum Teil allerdings nur für wenige Tage, kleinere französische Truppenkontingente Quartier. So heißt es zum Beispiel in der Hargarter Schulchronik: „Nachdem unsere Truppen unsere Heimat geräumt hatten, wurde sie von Franzosen besetzt. Hargarten hatte auch vier Tage lang französische Einquartierung. Die Truppen benahmen sich korrekt, aber vorsichtig. Die Einwohner durften während der 4 Tage ohne Ausweis den Ort nicht verlassen.“

Am 2. Dezember 1918 zogen schließlich auch in Wadern französische Truppen ein. Die einheimische Bevölkerung empfing die einziehenden Franzosen keineswegs mit Jubel. Waldtraut Schulz fertigte an diesem Tag folgende Notiz: „Eben ziehen die Franzosen mit einer lächerlich dünnen Musik ein. Hinter geschlossenen Gardinen standen wir und besahen uns einen Zug Franzosen, die auf der Stelle bei Sturms sich lagerten. Graublau ist die unangenehme Farbe ihrer Uniform. Selbst die Natur sträubt sich, diese Farbe aufzunehmen. Sie, die Soldaten, sind klein, unscheinbar. Dunkel ist das Gesicht unter dem Stahlhelm. Ekelhaft ist uns ihr Anblick durch und durch.“

Der unverhohlene Rassismus, der in diesen Bemerkungen zum Ausdruck kommt, war keineswegs allein dem Gedankengut der Waldtraut Schulz zuzuschreiben. Vielmehr dürften Ansichten dieser oder ähnlicher Art der allgemeinen Anschauung und Überzeugung, wie sie im Kaiserreich gepflegt wurden, entsprochen haben. Das nach dem Sieg im deutsch-französischen Krieg entstandene deutsche Nationalbewusstsein überhöhte das Deutschtum in idealistischer Weise und speiste sich aus einem Überlegenheitsgefühl anderen Völkern und Rassen gegenüber.

Umso stärker war die ablehnende Haltung der Bevölkerung gegenüber den einrückenden Besatzungstruppen der Siegermächte. Die Masse der Bevölkerung erblickte in ihnen Angehörige eines fremden und zudem feindlichen Staates. Dazu kamen die fremde Sprache und auch der ungewohnte Klang der französischen Militärmusik. Waren schon die Klänge der Clairons der französischen Militärkapellen den an deutsche Marschmusik gewohnten Ohren fremd, und kostete das Grüßen der Trikolore durch Abnehmen des Hutes jedes Mal Selbstüberwindung, so traf die Anwesenheit afrikanischer und annamitischer Soldaten in der Besatzungsarmee, wobei es sich bei letzteren um Soldaten aus den französischen Kolonialgebieten in Indochina handelte, den europäischen Stolz der deutschen Bevölkerung. Zur nationalistischen Ablehnung trat auf diese Weise noch eine rassistisch motivierte hinzu.

Bei den zunächst hier erwähnten französischen Truppenkontingenten handelte es sich allem Anschein nach nicht um die für unsere Region bestimmten Besatzungstruppen. Vielmehr zogen diese Einheiten nach einigen Tagen Aufenthalt weiter nach Osten dem Rhein zu. Dies kann man auch der folgenden Notiz des Dillinger Anzeigers vom 7. Dezember 1918 entnehmen, in der es heißt:

„Französische Truppen aller Waffengattungen zogen im Laufe dieser Woche vielfach durch unseren Ort in Richtung Diefflen. Während am Mittwoch Kolonialtruppen für einige Tage hier einquartiert waren, bezog gestern französische Infanterie hier Quartier, die sich ebenfalls auf dem Durchmarsch befindet. Die Soldaten benehmen sich der Bevölkerung gegenüber zuvorkommend und sind für ihnen erwiesene Dienste recht dankbar.“

Der Chronist der Haustadter Schulchronik berichtet ebenfalls davon, dass die französischen Truppen auf ihrem Weg zum Rhein durch unsere Heimat zogen. Am 5. Dezember 1918 notierte er: „Der Durchzug der französischen Besatzungstruppen ist nunmehr beendet. Auch hier im Kreis Merzig ist eine Besatzungsabteilung, welche gemäß dem Waffenstillstandsvertrage das linke Rheinufer besetzen soll. Die Bewohner denken mit Bangen an die Zukunft, denn die ist noch sehr ungewiss.“

Wenn zwar nur für kurze Zeit, so bekam die Bevölkerung in der Merziger Region sogar auch amerikanische Soldaten zu Gesicht. Ein kleines Kontingent hielt beispielsweise am 4. Dezember 1918 in Wadern Einzug, was die junge Chronistin Waldtraut Schulz, die diesem Trupp Amerikaner begegnete, zu folgender Bemerkung in ihrem Tagebuch veranlasste: „Der Eindruck ist nicht sehr hervorragend. Unsere zogen in tadelloser Ordnung mit Haltung und Festigkeit im Gang. Das fehlt ihnen aber auch alles.“

Der Vollständigkeit halber soll in diesem Zusammenhang auch die folgende Zeitungsnotiz vom 28. Dezember 1918 aus Saarhölzbach kurz Erwähnung finden, in der folgendes gemeldet wird: „Bisher ohne Besatzung geblieben, sind Weihnachten 30 amerikanische Soldaten hier eingerückt und haben sich in aller Gemütlichkeit häuslich niedergelassen.“ Der Aufenthalt der Amerikaner, die zu diesem Zeitpunkt den benachbarten Kreis Saarburg besetzt hatten, blieb auch in Saarhölzbach nur eine kurze Episode, da die Soldaten nach wenigen Tagen ebenfalls wieder abzogen.

Demgegenüber wusste die Bevölkerung des Kreises Merzig natürlich nicht so recht, was sie von der französischen Besatzung zu erwarten hatte. Die Anordnungen, die von der Besatzungsmacht erlassen worden waren, verhießen nichts Gutes. Die beiden Merziger Zeitungen veröffentlichten am 4. Dezember 1918 die Bekanntmachung, in der unter anderem bestimmt wurde:

„Niemand darf das Armeegebiet ohne Erlaubnis des kommandierenden Generals verlassen. Innerhalb der Gemeinde ist der Verkehr zu Fuß von 6 bis 20 Uhr frei, außerhalb der Gemeinde darf niemand ohne schriftliche Erlaubnis verkehren. Dasselbe gilt für den Verkehr mit Wagen, Rädern usw. Die öffentliche Zeit ist die französische Zeit. Ansammlungen sind verboten, Vereinigungen, Vorstellungen und Versammlungen nur nach Vorlegung des Programms und mit Erlaubnis der Ortsmilitärbehörde gestattet. Es darf nichts, auch keine Zeitung, ohne Erlaubnis des kommandierenden Generals gedruckt werden. Alle Briefe, Korrespondenzen, Botschaften und Telegramme sind auf dem Bürgermeisteramt abzugeben, um dem Platzkommandanten vorgelegt zu werden. Brieftauben sind anzumelden. Schnapsverkauf ist untersagt, die Wirtschaften bleiben von 8 Uhr abends bis 8 Uhr morgens geschlossen. Alle Zivilisten haben bei jeder Gelegenheit und an jedem Orte gegenüber den französischen und alliierten Offizieren eine achtungsvolle Haltung anzunehmen. Die Polizeidiener und Beamten der öffentlichen Gewalt sowie die Eisenbahnbeamten und Förster haben die Offiziere zu grüßen. Das Tragen und der Gebrauch photographischer Apparate sind ohne Erlaubnis der Ortsmilitärbehörde verboten. Die Preise der Waren sind in Mark und Franken anzugeben.“

Eine Anweisung des französischen Militärs hatte es den deutschen Gendarmen sogar untersagt, Uniform zu tragen. „Die Gendarmen unseres Kreises üben ihren Dienst von jetzt ab in Zivilkleidung aus“, meldete die Merziger Zeitung. „Sie tragen als Erkennungszeichen eine weiße Armbinde mit Stempel und Aufdruck ‚Sicherungsdienst‘.“ Allerdings hatte diese Anordnung nur gut zwei Wochen Gültigkeit. Ab dem 16. Dezember 1918 war es den Gendarmen wieder erlaubt, ihre Dienstkleidung zu tragen.

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