Erlebnisse in Kanada Abschiedsschmerz und Wiedersehensfreude

Zwölf Monate in Canmore: Die 17-jährige Mettlacherin Helena Oswald hat ein Auslandsjahr in der Kleinstadt in Kanada verbracht. In der Saarbrücker Zeitung berichtet sie vom Abschied von ihrer Gastfamilie und der Rückkehr nach Deutschland.

 Sie zeigt es unmissverständlich: Die zwölf Monate in den kanadischen Rocky Mountains haben es Helena Oswald angetan. Sie hat ihr Herz an das Land verloren.

Sie zeigt es unmissverständlich: Die zwölf Monate in den kanadischen Rocky Mountains haben es Helena Oswald angetan. Sie hat ihr Herz an das Land verloren.

Foto: Helena Oswald

Nun bin ich schon wieder seit anderthalb Monaten zurück in Deutschland und wundere mich, wohin die Zeit hin verschwunden ist. So war ich doch noch vor Kurzem in Kanada und habe dort mit meiner kanadischen Gastfamilie Weihnachten, Neujahr und Geburtstage gefeiert! Wie schnell die Zeit doch vergehen kann. Das wurde mir umso mehr bewusst, als ich meine Familie und Freunde in Deutschland wieder traf. Einerseits fühlte es sich so an, als wäre ich niemals weg gewesen, aber trotzdem hatte sich doch alles in diesen zehn Monaten verändert.

Dieser Artikel wird leider nicht ganz so lang werden wie die beiden davor, da ich diesmal kein Hundeschlittenfahren oder Schneeschuhwandern vorzeigen kann. Der 29. Juni wird wohl einer der Tage sein, der für immer in meinem Gedächtnis bleiben wird. Es war der Tag, an dem ich heimkehren sollte. Meine Gastfamilie versuchte, den Morgen so normal wie irgend möglich für mich zu gestalten. Trotzdem verdunkelte der Abschied den eigentlich sonnigen Morgen. Am Abend zuvor hatte meine Gastfamilie noch eine Abschiedsfeier mit Freunden und Nachbarn für mich organisiert. Über den Morgen hinweg lächelten wir uns gegenseitig tapfer an, und wenn die Tränen doch aufstiegen, nahm man sich einfach in die Arme.

Gegen zehn Uhr morgens hieß es dann Abschied nehmen von Canmore, meiner kanadischen Heimatstadt. Meine Gasteltern sowie Gastgeschwister fuhren mich nach Calgary an den Flughafen. Das war mit eine der schwierigsten Autofahrten, die ich in meinem bisherigen Leben jemals hatte. Am Flughafen angekommen, halfen sie mir, mein Gepäck aufzugeben. An der Sicherheitsstation jedoch hieß es endgültig Abschied nehmen. Nun wurde den Tränen freie Bahn gelassen. Wir nahmen uns in die Arme und versicherten uns gegenseitig, dass dieser Abschied nicht für immer sein wird und wir uns wiedersehen werden. Ich gab meinen kleinen Gastgeschwistern den ersten Hinweis für eine Schnitzeljagd, die ich für sie vorbereitet hatte – in der Hoffnung, mit der am Ende verbundenen Überraschung ihren Abschiedsschmerz etwas verringern zu können. Sie warteten vor dem Sicherheitstor und winkten mir bis zum Schluss, als ich um die Ecke bog um meinen Flug nach Vancouver zu bekommen.

Abschiede sind meiner Meinung nach nie wirklich schön, doch wie mein französischer Gastvater immer zu sagen pflegt: „It is not a goodbye Helena. It is an ‚à la prochaine’!” Das heißt übersetzt so viel wie „Es ist kein ‚tschüss’. Es ist ein ‚bis zum nächsten Mal’.“

Von Calgary flog ich also nach Vancouver, um von dort mein Flugzeug nach Deutschland zu besteigen. In Vancouver traf ich auch alte Freunde von mir, die ich auf dem Trip in diese Stadt ganz am Anfang meines Auslandsjahres getroffen hatte. Gegen Nachmittag startete unsere Maschine dann ihren Flug, der neun Stunden dauern sollte. Von diesen neun Stunden verschlief ich geschlagene acht, da der Abschied doch viel Kraft gekostet hatte. Jedoch war dies eher von Vorteil, da ich dadurch, wie sich herausstellte, später von dem berüchtigten Jetlag weitgehend verschont blieb.

Am 30. Juni gegen elf Uhr morgens landete unser Flugzeug in Frankfurt. Ich machte mich direkt auf zur Kofferausgabe, da ich es nun kaum erwarten konnte, meine Familie wiederzusehen. Seit dem kurzen Besuch von ihnen im April waren wir wieder nur über Nachrichten und das Skypen in Kontakt gewesen. Als ich meine Koffer also hatte, ging ich durch den letzten Gang, der mich von meiner Familie und natürlich meiner Heimat trennte. Es war einfach ein unbeschreiblich schönes Gefühl, meine Familie dort auf mich warten zu sehen. Nach der Begrüßung gingen wir nach draußen und ich wurde wortwörtlich von der Hitze erschlagen. So war ich noch angenehme 15 Grad gewöhnt, da musste ich mich von einem auf den anderen Moment an die deutschen 42 Grad, die zu dieser Zeit herrschten, anpassen. An diesem Tag traf ich auch meine Großeltern und meinen Hund nach zehn Monaten wieder. Seit Wochen hatte ich mich auf diesen Augenblick gefreut. Wir nahmen uns überglücklich in die Arme und zum ersten Mal seit zehn Monaten war meine Familie nochmal komplett.

Ich hatte das Glück, direkt am Anfang der Sommerferien nach Hause zu kommen. Somit blieb mir genügend Zeit, mich wieder an alles halbwegs zu gewöhnen. Logischerweise bereitete mir die deutsche Sprache am Anfang Schwierigkeiten und ich muss zugeben, dass ich jetzt noch oft nach den passenden deutschen Wörtern suche. Das war jedoch nicht weiter schlimm, da meine Freunde und Familie es sehr amüsierte, wenn ich zum Beispiel statt des deutschen Wortes „Brille” den Ausdruck „die Gläser” (vom Englischen übersetzt „the glasses”, was dort sowohl „die Gläser“ als auch „die Brille“ bedeutet) benutzte.

Manche Gewohnheiten, die ich aus Kanada mitgebracht hatte, erwiesen sich als etwas schwierig in Deutschland. Es stellt sich heraus, dass wir Deutschen Spontanität nicht ganz so sehr schätzen wie die Kanadier. Das heißt jedoch nicht, dass ein gut durchstrukturierter Tagesablauf schlecht wäre. Es war nur wieder eine Umstellung. Genau umgekehrt war es mir ergangen, als ich nach Kanada kam und die Leute dort sich über die deutsche Strukturiertheit amüsierten.

Die Sommerferien vergingen, genau wie mein Auslandsjahr, wie im Fluge und ich hatte schon meinen ersten Schultag am Gymnasium am Stefansberg (GaS). Es war schön, wieder meine „alte” Schule zu besuchen. Trotzdem dachte ich viel an meine kanadische Schule, meine dortigen Freunde und Lehrer, die erst am 4. September wieder zum Unterricht müssen. Ich traf zu Schulbeginn natürlich auch meine deutschen Freunde und Lehrer wieder. Es fühlte sich nach einem „nach Hause kommen an” und trotzdem empfand ich es wie eine der vielen Fünftklässlerinnen, die an diesem Tag ihren ersten Schultag auf dem GaS hatten. Dieses Gefühl wird aber wahrscheinlich bald der Vertrautheit weichen, wie es das auch schon vorher getan hat.

 Helena Oswald (rechts) zeigt an ihrer deutschen Schule, dem Gymnasium am Stefansberg in Merzig, Flagge für ihr Gastland Kanada.

Helena Oswald (rechts) zeigt an ihrer deutschen Schule, dem Gymnasium am Stefansberg in Merzig, Flagge für ihr Gastland Kanada.

Foto: Helena Oswald
 Zurück im Kreise der Familie: Über das Wiedersehen mit ihren Großeltern freute sich Helena Oswald (rechts) bei ihrer Rückkehr nach Deutschland Ende Juni ganz besonders.

Zurück im Kreise der Familie: Über das Wiedersehen mit ihren Großeltern freute sich Helena Oswald (rechts) bei ihrer Rückkehr nach Deutschland Ende Juni ganz besonders.

Foto: Helena Oswald
 Abschiedsfoto in der Küche: Zu ihrer Gastfamilie in Canmore hat die Mettlacherin ein sehr inniges Verhältnis aufgebaut. Auch wenn kurz vor ihrer Abreise aus Kanada noch ausgelassen gefeiert wurde, so flossen doch bald darauf beim Abflug die Tränen.

Abschiedsfoto in der Küche: Zu ihrer Gastfamilie in Canmore hat die Mettlacherin ein sehr inniges Verhältnis aufgebaut. Auch wenn kurz vor ihrer Abreise aus Kanada noch ausgelassen gefeiert wurde, so flossen doch bald darauf beim Abflug die Tränen.

Foto: Helena Oswald

Mein Jahr in Kanada war ein bedeutsames Jahr für mich. Ich habe viel gelernt, habe mich neuen Herausforderungen gestellt, neue Freunde und Familie gefunden und vor allem mich selbst. Kanada und die Leute dort haben mich geformt und werden für immer ein Teil von mir bleiben.Doch meine Reise geht weiter, und selbst wenn ich mich noch nicht ganz wieder in Deutschland eingelebt habe, so warte ich gespannt auf jedes neue Abenteuer und jede Herausforderung, die hier noch auf mich zukommt. Eine davon wäre zum Beispiel das Abitur, auf welches ich mich nun in der elften Klasse vorbereiten werde.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort