Saarbrücken. "Welcher junge Mensch will schon Volkslieder singen, wenn er bei dem Begriff Volkslied an die schunkelnden Zuschauer volkstümlicher Musiksendungen denkt, die schwitzend vor ihrem Viertele sitzen? Keiner!" Wenn Gabi Heleen Bollinger über die weit verbreitete Verwechslung des Volksliedes mit musikalischer Volkstümelei à la Musikantenstadl spricht, klingt ihre Stimme zornig. Denn Volkslieder bedeuten der 1953 in Zweibrücken geborenen Musikerin, Journalistin und Regisseurin sehr viel. "Volkslieder beschreiben Lebenswirklichkeiten. Sie geben Trost und sind daher auch Lebenshilfen", sagt Bollinger. Diese Auffassung teilt sie mit Hein und Oss, den Protagonisten ihres jüngsten Dokumentarfilms "Falado". Mit ihm setzt Bollinger den inzwischen 80-jährigen eineiigen Zwillingen Hein und Oss Kröher aus Pirmasens ein Denkmal. Mit dem Open-Air-Festival "Chanson Folklore International" auf Burg Waldeck im Hunsrück sorgten diese beiden in den 1960er Jahren dafür, dass das Volkslied - zuvor von den Nazis für propagandistische Zwecke missbraucht - wieder Zuspruch fand. Die offene Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und dem Holocaust prägten die Anfänge jenes Liedfestivals, das von Mitwirkenden aus ganz Europa als deutsches Pendant zum amerikanischen Woodstock angesehen wurde. Von 1964 bis 1969 war die Nerotherburg Waldeck Schauplatz des Festivals, bei dem neben internationalen Größen auch Künstler wie Franz Josef Degenhardt, Hanns-Dieter Hüsch, Hannes Wader und Reinhard Mey auf der Bühne standen. Gabi Bollinger zeichnet in "Falado" die Suche nach einer deutschen musikalischen Identität nach der Shoah nach, indem sie Hein & Oss aus ihren Erinnerungen erzählen lässt und auch Wegbegleiter und wichtige Vertreter der Liedbewegung wie Hannes Wader zu Wort kommen. "Dieser Film macht Lust aufs Altwerden", findet Gabi Bollinger, die die Dreharbeiten mit den 80-jährigen Zwillingen genossen hat. "Sie sind sehr humorvolle Menschen, charmante Fabulierer und können sich wundervoll inszenieren." Bei "Falado" hat Bollinger zum ersten Mal die Produktion eines Filmes ganz alleine gestemmt. An Erfahrung indes mangelt es dem temperamentvollen Lockenkopf keineswegs. Seit 1993 arbeitet Gabi Bollinger hauptberuflich als Autorin für Funk und Fernsehen. Das thematische Spektrum ihrer Arbeiten reicht von investigativen Reportagen über das Rotlichtmilieu bis zum Kulturfeature. "Ich bin ein vielfältiger Mensch", sagt Bollinger von sich selbst. Und das ist keineswegs unbescheiden. Bevor sie sich als Journalistin und Filmemacherin betätigte, war Gabi Bollinger als Gründungsmitglied der legendären Gruppe "Espe" in Israel und ganz Europa unterwegs. Mit im Gepäck: deutsche und jiddische Lieder."Falado. Hein & Oss - Die Volkssänger": Freitag, 24. Oktober, 20 Uhr, im Kino Achteinhalb (Nauwieserstraße 19). Im Anschluss Diskussion mit der Regisseurin Gabi Heleen Bollinger. Auch die Hauptpersonen des Films, Hein und Oss Kröher, sind dabei.