Film ab - auch für Rollstuhlfahrer

Saarbrücken. "Hoffentlich ist der Film gut", sagt Hardy Heinke. Der Oberthaler geht gern ins Kino, auch wenn er dafür meist einen weiten Weg aufsichnehmen muss. In seinem Saarbrücker Stammkino, dem Cinestar, will er sich an diesem Sonntag beim Festival Max-Ophüls-Preis den Wettbewerbsfilm "Totem" angucken, zusammen mit rund zehn Bekannten aus dem ganzen Saarland

Saarbrücken. "Hoffentlich ist der Film gut", sagt Hardy Heinke. Der Oberthaler geht gern ins Kino, auch wenn er dafür meist einen weiten Weg aufsichnehmen muss. In seinem Saarbrücker Stammkino, dem Cinestar, will er sich an diesem Sonntag beim Festival Max-Ophüls-Preis den Wettbewerbsfilm "Totem" angucken, zusammen mit rund zehn Bekannten aus dem ganzen Saarland. Sechs sind schon da. "Die Karten haben wir uns online gekauft", erklärt Uwe Wagner aus Rehlingen-Eimersdorf. Doch werden sie alle hineinkommen ins Kino? Die Frage beschäftigt die Kinofans fast noch mehr als der Film selbst. Denn fünf von ihnen sitzen im Rollstuhl."Laut Aussage der Stadt gibt es genug Platz für Rollstuhlfahrer beim Festival," sagt Heinke. Aber er weiß auch, dass es in den meisten Cinestar-Sälen nur einen bis zwei offizielle Rollstuhlplätze gibt. "In St. Wendel komme ich mit dem Rollstuhl gar nicht erst rein ins Kino und in Birkenfeld-Neubrücke kann man nur in der Reihe sitzen, deshalb fahre ich ja immer die 50 Kilometer nach Saarbrücken", klagt der Oberthaler. Für den Eimersdorfer Uwe Wagner sieht es nicht viel besser aus. Im Dillinger Kino sei nur einer der Säle barrierefrei, auch in Saarlouis und Merzig verhinderten Treppen den Zugang. Die Kinos würden ja von Privaten betrieben, das Ophüls-Festival aber von der Kommune mit öffentlichen Mitteln finanziert, sieht Wagner, der den Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter im Saarland vertritt, den Unterschied. Eine Kommune müsste sich doch an die UN-Behindertenrechtskonvention halten, nach der auch Menschen mit Behinderung die volle Teilhabe an Kultur zu gewährleisten sei.

Sondervorführung

Zehn Minuten vor Filmbeginn steht die Gruppe am Einlass. Zwei Cinestar-Mitarbeiter tauschen die Online-Belege gegen Eintrittskarten - und rufen den Theaterleiter herbei. "Und Sie wollen alle in denselben Film?" Michael Grundmann stutzt. "Dann haben wir ein Problem." Der Theaterleiter fängt an abzuzählen: "Also Sie kommen rein und Sie, und für Sie ist kein Platz." Die Gruppe, inzwischen sieben Menschen im Rollstuhl, ein Mann mit Sehbehinderung und eine Frau mit Rollator, lässt sich den Affront nicht anmerken. Grundmann sinnt derweil nach einer besseren Lösung: "Die beste, die wir jetzt haben, ist, dass wir eine weitere Kopie des Films holen und sie in einem freien Saal zeigen." Eine halbe Stunde müssten sie noch warten, erklärt Grundmann. "In der Zeit trinken wir aber was, und das geht aufs Haus", ruft Uwe Wagner und schmunzelt. Eine Stunde nach dem ursprünglichen Filmbeginn geleiten Cinestar-Mitarbeiter dann die Gruppe endlich in den Saal fünf. Auch in diesen dürfen eigentlich höchstens zwei Rollstühle hinein. "Ich stehe jetzt mit einem Bein im Gefängnis", meint Grundmann zu dieser "Sondervorführung", bei der sich die Rollstühle in einem Gang zwischen den Reihen quetschen. "Und warum baut man nicht einfach eine Sitzreihe aus, damit hier Platz genug ist?", fragt Wagner. Wenn es nach ihm ginge, gerne. Auch Klappsitze wären eine Lösung, gibt sich Grundmann freundlich. Doch dafür müssten sie sich an die Besitzer in Lübeck wenden. Das wollen Wagner und die anderen jetzt machen, gemeinsam mit dem Behindertenbeirat der Stadt. Schade findet Harry Heinke, dass sie nun als Behinderte unter sich bleiben, nicht mit den anderen Besuchern zusammen im Kino sitzen. Aber immerhin haben sie es geschafft - Film ab.

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