Ein gefühltes "Ätschibätsch!"

Saarbrücken. Friedhelm Fiedler will die Wahrheit wissen. Schließlich ist er Fraktionsvorsitzender der Stadtrats-FDP. Und der Stadtrat hat den Mann da vorne zu dem gemacht, was er ist: Stadtteilautor fürs Nauwieser Viertel, ein Jahr lang. Der Mann ist Hans Gerhard, Schriftsteller und Rechtsanwalt, und er hat nicht vor, Friedhelm Fiedler immer die Wahrheit zu sagen

Autor Hans Gerhard bei einer Lesung. Foto: Iris Maurer

Autor Hans Gerhard bei einer Lesung. Foto: Iris Maurer

Saarbrücken. Friedhelm Fiedler will die Wahrheit wissen. Schließlich ist er Fraktionsvorsitzender der Stadtrats-FDP. Und der Stadtrat hat den Mann da vorne zu dem gemacht, was er ist: Stadtteilautor fürs Nauwieser Viertel, ein Jahr lang. Der Mann ist Hans Gerhard, Schriftsteller und Rechtsanwalt, und er hat nicht vor, Friedhelm Fiedler immer die Wahrheit zu sagen. Und allen anderen, die seine Texte aus dem Viertel lesen, auch nicht. "Ich fühle mich der Wahrheit nur bedingt verpflichtet", sagt Hans Gerhard. Nur so viel verrät er den Frauen und Männern des Stadtrats-Kulturausschusses, die ihn am Donnerstag unbedingt kennen lernen wollten: Die Geschichte, die er über den Zwangsarbeiter, der im Viertel schuftete, geschrieben hat, ist erfunden.Jeden Monat zwei Geschichten will er schreiben, sagt Hans Gerhard. Ab und zu auch einen Internet-Blog. "Aber nur, wenn mir etwas einfällt, da wird schon genug Mist geschrieben", wie er sagt. Was auch immer Gerhard schreibe, der Stadtverordnete Fiedler will wissen: "Stimmt das oder hat er das erlogen?" Auch der Kultur-Sachverständige Stefan Weszkalnys fände es nicht verkehrt, wenn Gerhard seine geschätzte Kunst und mutige Sprache "den Tatsachen widmen" würde.Er werde darüber mal nachdenken, entgegnete der Autor, womöglich werde er generell darauf hinweisen, dass die Geschichten nicht wahr sein müssen. Aber er könne sich "vorstellen, dass es lustiger ist, wenn man das nicht dazu schreibt", erklärte er. Und überhaupt: Es sei ja auch Aufgabe von Literatur, Fragen aufzuwerfen. Es hörte sich an wie: "Ätschibätsch!" Wobei die Frage, wo die Texte denn überhaupt zu lesen sein werden, offen blieb. Am Ende der Dokumentationszeit, also im Sommer nächsten Jahres, sollen sie zwar als Buch erscheinen. Aber ob die Stadt dafür Geld hat, ist unklar. Bisher ist nichtmal die Rotenbühl-Dokumentation von Gerhards Stadtteilautoren-Vorgängerin Nicole Baronsky-Ottmann gedruckt.Lesungen wird es geben, eine im Frühjahr, eine im Sommer, kündigte Kulturdezernent Erik Schrader an. Und Hans Gerhard wird auf einer Veranstaltung der Grünen im Viertel am 9. September sprechen. Als er da zugesagt hat, habe er allerdings gedacht: "Du bist bescheuert, jetzt musst Du zu den anderen Parteien auch hingehen", witzelte er. Wenn der Ausschuss es wünsche, könne er aber auch bei den Grünen wieder absagen. Die haben eh einen Gerhard Hans auf der Einladung stehen und nicht ihn, bemerkte Hans Gerhard.Ein Druckfehler, bedauerte Grünen-Fraktionssprecher Thomas Brück - und schlug flugs vor: Die Parteien könnten Gerhard ja alle einladen und für diese Auftritte auch ordentlich bezahlen. Der Autor, der von der Stadt 5000 Euro für seine Dokumentation bekommt, hatte nämlich zuvor darauf hingewiesen, dass pro Lesung 250 Euro fällig werden - die vom Schriftstellerverband festgelegte Summe.Nicht alle Stadtverordneten wirkten am Ende ganz glücklich. Aber es ist ja auch nicht Aufgabe eines Schriftstellers, Kommunalpolitiker glücklich zu machen.

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