Der Özil-Effekt Die schwul-lesbische Kommune schäumt vor Wut

Berlin · Wie der Weiskircher Jörg Litwinschuh wegen eines kameradschaftlichen Kumpel-Fotos mit dem umstrittenen US-Botschafter in Deutschland zur Zielscheibe heftiger Kritik wird.

 Das umstrittene Foto, das im Garten der Berliner US-Botschafter-Villa entstand (von links): Jörg Litwischhuh, Chef der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, US-Botschafter Richard Grenell, Litwinschuhs Mann Thorsten Barthel und Modedesigner Michael Michalsky.

Das umstrittene Foto, das im Garten der Berliner US-Botschafter-Villa entstand (von links): Jörg Litwischhuh, Chef der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, US-Botschafter Richard Grenell, Litwinschuhs Mann Thorsten Barthel und Modedesigner Michael Michalsky.

Foto: Jörg Litwinschuh

Jörg Litwinschuh: ein Mann, der sich seit Jahren vehement gegen die Diskrimierung von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen einsetzt, zeigt sich in der Öffentlichkeit mit dem US-Botschafter Richard Grenell in Berlin, der für die rechtskonservative Politik seines Landes steht. Im Prinzip gibt’s nichts gegen solch ein Treffen einzuwenden. Kontakte pflegen gehört zu den Aufgaben des Lobbyisten für sexuelle Selbstbestimmung und gesellschaftliche Akzeptanz. Ebenso wie kontroverse Diskussionen mit jenen durchstehen, die nicht auf seiner Welle schwimmen.

Wenn das Ganze allerdings auf einem Foto wie eine schwule Kumpelrunde ausschaut, hagelt es massive Kritik – und zwar aus der schwul-lesbischen Gemeinschaft. Genau von jenen Menschen also, die der Weiskircher Litwinschuh seit 10. November 2011 als Vorsitzender der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld vertritt.

Mit einem wahren Sturm der Entrüstung sieht sich nun der 49-Jährige konfrontiert, nachdem er am Wochenende das Foto via Facebook öffentlich gemacht hat. Dort ist der Saarländer in legerer Kleidung im Garten der US-Botschaftsvilla des Berliner Edelviertels Dahlem zu sehen. Grenell steht dabei zwischen Litwinschuh und dessen Ehemann, hat die Arme freundschaftlich auf deren beiden Schultern gelegt. Dahinter zu erkennen: ein Regenbogen aus Luftballons als farbliches Sinnbild der schwul-lesbischen Gesellschaft. Die Aufnahme entstand an dem Tag, als eine Million Menschen zum Christopher Street Day (CSD) für ihre Rechte auf den Straßen der Bundeshauptstadt demonstrierten.

Was die Kritiker Litwinschuh vorwerfen? Fehlende Distanz, einige sogar Verrat an den gesellschaftlichen Errungenschaften jener, denen Litwinschuh den Rücken stärken soll. Denn: Der US-Botschafter Grenell ist ein flammender Befürworter der Trump-Administration. Und diese macht bislang nicht unbedingt von sich reden, die Emanzipationsbewegung Schwuler, Lesben und Transsexueller zu unterstützen. Eher dreht sie das Rad der Zeit zurück, was unter anderem die Anerkennung von Transmenschen betrifft. Grenell, selbst offen schwul, unterstützt die Politik aus Washington. Schon kurz nach seinem Amtsantritt in Berlin bekundete er den Schulterschluss mit der europäischen Rechten, der er den Rücken stärken wolle. Auch sie ist nicht dafür bekannt, die Rechte von Schwulen und Lesben zu forcieren.

Zu denen, die sich empört über Litwinschuhs Auftritt äußerten, gehört der Neunkircher Politiker Sebastian Thul (SPD). Der Landtagsabgeordnete schrieb im sozialen Netzwerk: „Man kann auch miteinander reden, ohne sich dabei ablichten und für Propaganda missbrauchen zu lassen. Oder hat er das Foto zur Bedingung für den Austausch gemacht? Ganz schön naiv, würd’ ich sagen.“ Thul ist auch Mitglied im Landesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD).

In weiteren Kommentaren war von „Einverständnis mit der Trump-USA“ sowie von „Porzellan zerschlagen“ die Rede. Mit diesem Bild habe sich die Stiftung „deutlich von der Community“ entfernt. Vergleiche mit dem mittlerweile Ex-Nationalspieler Mesut Özil wurden angestrengt, der sich im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hatte ablichten lassen und dafür ebenfalls heftig in der Kritik stand.

Einer der wenigen, die in dem lockeren Bild weniger Skandalträchtiges erkennen, ist der FDP-Saar-Chef und Bundesparlamentarier Oliver Luksic. „Das Foto wäre wohl eher in den USA eine Sensation, da ein Vertreter der Trump-Regierung offen den CSD unterstützt. Das sollte man hier nicht ignorieren, sondern nüchtern zur Kenntnis nehmen.“ Aufgrund des klaren Kontextes des Bildes sollte man Jörg Litwinschuh da keinen Strick daraus drehen. Notwendige Kritik am US Botschafter und seiner Regierung werde weiter geübt.

Die gab es bereits im Vorfeld des Berliner CSD: Führende Vertreter im Umfeld der Organisatoren setzten den US-Botschafter mit einer unerwünschten Person gleich, die wegen der politischen Ansichten nichts auf dem schwul-lesbischen Demonstrationszug verloren habe.

Während Özil zwei Monate brauchte, um sich zu dem Foto mit dem umstrittenen türkischen Staatschef zu äußern, reagierte Litwinschuh am Sonntagabend über Facebook. Darin bereute er den Schnappschuss. „Aus persönlicher Eitelkeit habe ich bei dem gestrigen Foto mein eigentliches Anliegen konterkariert, mit dem US-Botschafter Richard Grennell in einen kritischen und selbstbewussten Dialog eintreten zu wollen. Dies bedauere ich“, schrieb er. Nichtsdestotrotz werde er den Dialog mit dem Botschafter fortsetzen. Dies gelte auch für weitere konservative Kräfte. Es liege ihm fern, seine eigene jahrelange Arbeit sowie die weiterer Aktivisten im Dienste der schwul-lesbischen und transsexuellen Menschenrechte bloßzustellen. „Dafür möchte ich mich entschuldigen.“ Zwar erntete er für diese kurze und zugleich rasche, selbstkritische Reaktion von vielen Zustimmung. Gleichfalls nahmen ihm viele weiterhin das Foto krumm. Von Instinktlosigkeit war die Rede.

Sein Einverständnis, ein Interview zum Thema mit der Saarbrücker Zeitung zu veröffentlichen, zog Litwinschuh kurz vorher wieder zurück.

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