Das geheimnisvolle Skelett aus dem Osthafen

Saarbrücken. Warum hat man diesen Menschen mit Schuhen begraben? Warum sind diese Schuhe genagelt? Und ist dieser Mensch nun eine Frau oder ein Mann gewesen? Zurzeit hat Professor Wolfgang Adler (Foto: Jenal) mehr Fragen als Antworten

 Im Oktober legten Archäologen, hier im Bild Linda Sagl, südlich des Osthafens ein spätrömisches Grab frei. Im Vordergrund zu sehen: die genagelten Schuhe. Foto: Becker&Bredel

Im Oktober legten Archäologen, hier im Bild Linda Sagl, südlich des Osthafens ein spätrömisches Grab frei. Im Vordergrund zu sehen: die genagelten Schuhe. Foto: Becker&Bredel

Saarbrücken. Warum hat man diesen Menschen mit Schuhen begraben? Warum sind diese Schuhe genagelt? Und ist dieser Mensch nun eine Frau oder ein Mann gewesen? Zurzeit hat Professor Wolfgang Adler (Foto: Jenal) mehr Fragen als Antworten. Adler ist Archäologe bei der Landesdenkmalbehörde und beschäftigt sich dort unter anderem mit einem Fund, der im Oktober vergangenen Jahres eher zufällig südlich des Saarbrücker Osthafens gemacht wurde.

Weil das Gebiet als Hochwasser-Ausweichfläche für das Projekt Stadtmitte am Fluss vorgesehen ist, wurden dort Bodenuntersuchungen gemacht. Dabei entdeckten Wissenschaftler unter anderem ein Grab, das wahrscheinlich aus spätrömischer Zeit stammt.

Dass unweit des ehemaligen Römerkastells ein Grab aus dem dritten oder vierten Jahrhundert gefunden wurde, hat die Wissenschaftler nicht überrascht. Was sie beschäftigt, ist die Sache mit den genagelten Schuhen. "In spätrömischen Körpergräbern gab es oft Schuhe als einzige Grabbeigabe - vor allem im nordgallischen Bereich", erklärt Adler. "Was es mit den Schuhen auf sich hat, wissen wir aber nicht", sagt er. Und wieso die Schuhe dieses Römers genagelt waren, schon gar nicht.

Schuhgröße 36

Wobei Adler sich nicht einmal sicher ist, dass es ein Römer war, der da im Lehmboden gefunden wurde. Es könnte auch eine Römerin gewesen sein, sagt er. Schließlich hatte dieser Mensch eher kleine Füße: Schuhgröße 36, wie Adler sagt. Als das Skelett gefunden wurde, sprachen die Wissenschaftler vor Ort von einem "vermutlich männlichen, jugendlichen Römer", der da seine - nun doch nicht - letzte Ruhe gefunden habe.

Die Schuhe sind inzwischen restauriert. Sie sind seit Dienstag dieser Woche im Museum für Vor- und Frühgeschichte am Saarbrücker Schlossplatz zu besichtigen. Das Skelett selbst ist noch nicht untersucht worden. Es soll bald nach Mainz überstellt werden und in der dortigen Universität begutachtet werden, sagt Wolfgang Adler.

Er hofft, dass er und seine Kollegen noch in diesem Jahr weitere Grabungen im Gelände südlich des Osthafens machen können. Dort wurde im Oktober vergangenen Jahres nämlich nicht nur das Römergrab gefunden. Die Archäologen haben dort auch 63 Meter einer gut erhaltenen römischen Straße freigelegt. Derzeit gehen die Archäologen davon aus, dass es sich bei dem Weg um die römische Fernstraße zwischen Worms und Metz handelt. Diese kreuzte bei der römischen Vorgängersiedlung des heutigen Saarbrückens die Fernverbindung zwischen Trier und Straßburg.

Der Fund dieser "römischen Hauptstraße" veranlasste den Leiter des Landesdenkmalamtes, Josef Baulig, im Herbst zu der Vermutung, dass "die Geschichte Saarbrückens zwar nicht vollständig neu geschrieben, aber doch umgeschrieben werden muss".

Geschichte neu schreiben?

Im Umkreis der Straße wurde auch eine große, rechteckige Grube, die Holzkohle und Tierknochen enthält, gefunden. Die Experten vermuten, dass sie ebenfalls aus der römischen Zeit stammt. Ihre Funktion konnte bisher noch nicht vollständig geklärt werden. "Bereits bekannt ist, dass ähnliche Gruben in römischen Tempelbezirken angesiedelt waren. Auch die Rolle zweier parallel laufender Gräben und eines Pfostenlochs konnten noch nicht ermittelt werden. Sie stammen vermutlich ebenfalls aus der Römerzeit oder sind noch älter", erklärte der städtische Denkmalpfleger Hans Mildenberger.

Für Wolfgang Adler und sein Team hat die Suche nach Antworten gerade erst begonnen. Er ist sicher, "dass wir noch mehr finden werden am Osthafen". Von neuen Funden erwartet er Antworten - vermutlich werden aber auch neue Fragen auftauchen.

Das Museum für Vor- und Frühgeschichte im Kreisständehaus, Am Schlossplatz 16, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, mittwochs bis 22 Uhr. Montags ist das Museum geschlossen.

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