Frankreichs Präsident François Hollande besucht verwüsteten Friedhof in Sarre-Union

Sarre-Union · Bei einem Besuch des geschändeten jüdischen Friedhofs in Sarre-Union hat Frankreichs Präsident François Hollande die Taten scharf verurteilt. Antisemitismus ist in seinem Land mittlerweile weit verbreitet.

Nach der Schändung hunderter jüdischer Gräber in Frankreich hat Präsident François Hollande den Juden des Landes umfassenden Schutz zugesichert. Durch eine solche Attacke werde die gesamte Republik mit ihren Werten und Prinzipien ins Visier genommen, sagte Hollande gestern bei einem Besuch des jüdischen Friedhofs in Sarre-Union im Krummen Elsass, 40 Kilometer von Saarbrücken entfernt. "Gräber schänden bedeutet, alle Religionen zu beleidigen und die Republik zu beschmutzen", sagte der Staatschef vor zahlreichen jüdischen Vertretern und Politikern. René Gutman, Großrabbiner in Straßburg, kritisierte die "systematische Zerstörung” auf dem jüdischen Friedhof beim Besuch Hollandes. Man habe den Eindruck gehabt, dass da eine "ganze Armee durchgezogen" sei. Gutman sagte in Anbetracht der 250 umgestoßenen Grabsteine, ob die Zerstörer nicht gewusst hätten, was sie taten. Auch Richard Bermann, Vorsitzender der Saarbrücker Synagogengemeinde, war vor Ort. Er sprach von einer "niederträchtigen Tat".

Bei der schlimmsten Schändung eines jüdischen Friedhofs seit fast 25 Jahren in Frankreich waren am Wochenende rund 250 der 400 Gräber in Sarre-Union verwüstet worden. Fünf Minderjährige wurden festgenommen und gestern weiter in Polizeigewahrsam verhört. Sie hatten laut Ermittlern versichert, keine Antisemiten zu sein. Sie hätten demnach geglaubt, dass der Friedhof nicht mehr genutzt werde. Hollande hob hervor, die Justiz werde herausfinden, was auf "Unüberlegtheit", was auf "Ignoranz" oder auf "Intoleranz" zurückzuführen sei. Er verwies aber zugleich auf die "Verbissenheit", mit der die Schändung vonstatten gegangen sei. Zugleich versicherte er, dass jeder, der antisemitische oder rassistische Taten begehe, "unermüdlich verfolgt, festgenommen und verurteilt" werde. Hollande rief die Juden Frankreichs erneut dazu auf, im Land zu bleiben und nicht nach Israel auszuwandern. Nach jedem größeren Zwischenfall lädt sie Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu nämlich ein, Frankreich nun den Rücken zu kehren.

In Sarre-Union demonstrierten 200 Schüler gegen die Schändung. "Nur weil fünf Idioten das gemacht haben, sind wir nicht alle so", betonte die 17-jährige Charlotte. Mehrere Schüler und ein Lehrer, die die Täter kennen, zeigten sich sehr überrascht von deren Vorgehen. Die Jungen zwischen 15 und 17 Jahren seien "eher ruhig" und "unauffällig" gewesen.

In den vergangenen Jahren haben judenfeindliche Angriffe in Frankreich deutlich zugenommen, 2014 wurden gar doppelt so viele antisemitische Straftaten wie im Vorjahr registriert. Im Dezember hatten Vermummte und bewaffnete Männer im Pariser Vorort Créteil bewusst ein jüdisches Paar tyrannisiert und ausgeraubt. Anfang Januar waren bei der islamistischen Anschlagsserie in Paris vier Juden in einem Geschäft für koschere Lebensmittel ermordet worden. Viele französische Juden wollen nicht zuletzt deshalb nach Israel auswandern.

Antisemitismus , offener und unterschwelliger, hat in Frankreich eine lange Tradition - im Land lebt mit über 500 000 Menschen die größte jüdische Gemeinde Europas. Mit mehr als 6000 emigrierten Juden lag Frankreich 2014 erstmals an der Spitze der Länder, aus denen nach Israel ausgewandert wird. Mittlerweile schützt Militär Tausende jüdische Einrichtungen. "Frankreich will nicht euren Fortzug", sagte Regierungschef Manuel Valls an die Adresse der Juden . Die ganze politische Klasse verurteilte den Vandalismus im Elsass.

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