Rückblick nach einem Jahr „Wie ein Sprung ohne Fallschirm“

Forbach · Seit rund einem Jahr vertritt der Zahnarzt Christophe Arend für Macrons Partei den Bezirk Forbach in der Nationalversammlung in Paris.

 Christophe Arend sitzt für den Wahlbezirk Forbach in der französichen Nationalversammlung.

Christophe Arend sitzt für den Wahlbezirk Forbach in der französichen Nationalversammlung.

Foto: Assemblée Nationale

Ein bisschen wie ein Sprung in die Tiefe – „aber ohne Fallschirm“ –, so beschreibt der 43-jährige Christophe Arend von Macrons Partei „La république en marche“ (LREM) seine ersten Schritte bei der Nationalversammlung in Paris vor rund einem Jahr. Zu dieser Zeit dachte der Forbacher noch, er könnte ganz normal einen Tag in der Woche in seiner Zahnarztpraxis weiter arbeiten. „Das zu denken, war natürlich naiv. Abgeordneter ist mehr als ein Vollzeitjob“, sagte Arend beim jüngsten grenzüberschreitenden Themen-Frühstück von Cnam und Htw in Forbach. Womit er vor Amtsantritt auch nicht gerechnet hatte: Wie rau der Ton in der politischen und medialen Welt ist. Da müsse man schon einiges einstecken.

Entmutigt habe ihn das aber nicht, vor allem wenn er sehe, was man als Abgeordneter in Gang setzen könne. „Dass ein neuer Elysee-Vertrag zustande kommt, das war für mich und meinen deutschen Kollegen Andreas Jung (Vorsitzender der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe im Bundestag, CDU) ein persönliches Anliegen.“ Der neue Vertrag soll auch Grenzregionen mehr Spielräume bieten. In der EU leben rund 150 Millionen Menschen in solchen Grenzregionen, in diesen Bereichen könne man viel bewegen. Für Experimente und Spielräume bräuchte es auch die passende Finanzierung: „Mehr Kompetenzen ohne Budget sind nutzlos.“

Nach einem Jahr im Amt hat Arend nichts von seinem Tatendrang eingebüßt. Anders sieht es bei vielen Bürgermeistern in Frankreich aus. Vor allem in kleinen Kommunen – immerhin gibt es in Frankreich 36.000 Kommunen – fehlt ihnen oft Zeit und Geld, um neben ihrem Hauptberuf noch die Belange der Gemeinde voranzutreiben. „Es ist jetzt schon absehbar, dass sehr viele langjährige Bürgermeister 2020 oder spätestens 2026 nicht mehr antreten werden“, sagt Arend. In den schlechtesten Prognosen ist die Rede von fast 40 Prozent der Kommunen, die dieses Schicksal ereilen könnte. Diese Lage beunruhigt Arend, denn Populisten könnten in die Bresche springen. Doch wie können die einzelnen Kommunen durch eine Fülle an Ausgaben entlastet werden, etwa durch Zwangsfusionen? Eher nicht, wenn es nach dem Forbacher geht, denn auch das würde Gegnern der Demokratie in die Hände spielen. „Wir müssen die Kommunen dazu ermutigen, schon heute auf freiwilliger Basis zusammenzuarbeiten in Bereichen, in denen Synergien sinnvoll sind und alle von der Kooperation profitieren können“, so Arend.

Doch vor der Bürgermeisterwahl 2020 steht schon im Frühjahr der nächste Wahltermin fest: die Europawahl im Mai. Bereits im Wahlkampf erwartet Arend eine Zäsur zwischen zwei Lagern: die Identitären und die Europäer. Man wird den Menschen verdeutlichen müssen, wie wichtig diese Wahl ist und welche direkte Konsequenzen Entscheidungen auf EU-Ebenen in ihrem Alltag haben. Besser kommunizieren, das ist nicht nur in EU-Belangen das Credo von Christophe Arend. „Auch hier in der Grenzregion Saar-Moselle müssen wir unsere Erfolge besser vermarkten.“

 Die Universität der Großregion bietet Studenten die Möglichkeit, die Angebote von sechs Universitäten aus vier Ländern zu nutzen. Der lothringische Abgeordnete Arend will dafür in Paris und Berlin die Werbetrommel rühren. 

Die Universität der Großregion bietet Studenten die Möglichkeit, die Angebote von sechs Universitäten aus vier Ländern zu nutzen. Der lothringische Abgeordnete Arend will dafür in Paris und Berlin die Werbetrommel rühren. 

Foto: Bilderwerk/Uwe Bellhäuser

Nicht nur bei den Bürgern, sondern auch in Paris und Berlin. Dabei könnte man sich bei den Nachbarn im Elsass/Baden-Württemberg eine Scheibe abschneiden. In Sachen Kommunikation seien sie einen Schritt voraus. Dabei würden die Felder, wo die Zusammenarbeit gut läuft, nicht fehlen. Präsident Macron lobt zum Beispiel die Idee einer europäischen Universität, bei diesem Stichwort müsste doch jeder wissen: Das existiert schon, und zwar bei uns mit der Universität der Großregion. Doch mit dem Begriff „Großregion“ sei es sowieso schwierig in Paris anzukommen. „Wenn ich von der Großregion spreche, denken alle, ich meine die große Region Grand Est“, sagt der Forbacher Abgeordnete.

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