Frankreich Macron macht sich immer unbeliebter

Paris · Der autoritäre Führungsstil des französischen Präsidenten macht seiner Partei zu schaffen. Abgeordnete Dumas trat aus.

Das Wort „Armut“ steht in roter Schrift auf gelbem Grund auf dem Bildschirm. Es gehört zu den Themen, auf die La République en Marche (LREM) in diesem Herbst setzt. Bioethik und Ökologie sind zwei weitere bunte Schlagworte, die zeigen, dass die Partei von Emmanuel Macron 16 Monate nach dem Wahlsieg immer noch im Wahlkampfmodus funktioniert. Dieselben Slogans, dieselben Farben, die selben Phrasen wie vor gut einem Jahr. „Wir wollen die Art, Politik zu machen, neu schaffen“, sagt Parteichef Christophe Castaner bei seiner ersten Pressekonferenz nach der Sommerpause. Einer von vielen Sätzen, wie sie Macron in seiner Kampagne aussprach. Damals als Erneuerer gefeiert, ist der Präsident inzwischen unbeliebter als sein Vorgänger François Hollande. Auch wegen seines autoritären Führungsstils, der auf seine Partei abfärbt.

„Für den Erfolg ist eine Methode wichtig, die auf der Konfrontation der Ideen, der Debatte und dem Ausprobieren beruht“, sagt die Abgeordnete Frédérique Dumas. „Aber man hat eher das Gefühl, auf der Titanic zu sein.“ Dumas verließ deshalb am Wochenende die Fraktion von LREM in der Nationalversammlung, um zu ihrer früheren Partei, der UDI, zurückzukehren. „Sogar seine Meinung zu sagen, wird als Verrat angesehen, wenn sie nicht konform ist“, kritisiert die stellvertretende Vorsitzende des Kulturausschusses in der Zeitung „Le Parisien“. Schon im November hatten rund hundert Mitglieder die Partei verlassen, weil es an Demokratie fehle. Tiphaine Beaulieu, die Sprecherin der „Marschierer in Wut“ sprach damals von „einer Partei der Eliten, die völlig von der Realität abgekoppelt ist“.

Castaner kennt die Vorwürfe. „Ich zeichne kein idyllisches Bild unserer Bewegung. Ich kenne die Kritik und die Schwierigkeiten, ich ermesse die Ungeduld“, bemerkt der bärtige Ex-Sozialist, der mehr als 400 000 Mitgliedern vorsteht. Ohne Gegenkandidat übernahm der 52-Jährige die schwierige Aufgabe zusätzlich zu seinem Posten als Staatssekretär für die Beziehungen zum Parlament. Eine Doppelbelastung, die zeigt, dass die Partei nicht genügend Personal hat. In der Nationalversammlung, in der LREM die absolute Mehrheit hat, ließ Macron Richard Ferrand zum Präsidenten wählen, obwohl gegen den früheren Sozialisten Vorermittlungen wegen Begünstigung laufen.

Die Nachfolge Ferrands als Fraktionschef machen zehn Kandidaten unter sich aus, von denen keiner in der Öffentlichkeit bekannt ist. Ein Zeichen dafür, dass sich in den vergangenen 16 Monaten kaum neue Talente profilierten. Castaner ist nach wie vor einer der wenigen, der klar mit LREM identifiziert wird. Auf allen Kanälen verteidigt der Weggefährte der ersten Stunde die Politik des Präsidenten, seine Entscheidungen und Entgleisungen. In den nächsten acht Monaten hat der Vater zweiter Töchter noch eine andere Herausforderung zu meistern: Er muss für die „Marschierer“ den Europawahlkampf organisieren. Macron sucht nach Verbündeten, die sich mit ihm zu einer „progressiven“ Allianz zusammenschließen. „Casta“ wurde deshalb bereits bei potenziellen Partnern in Rom, Brüssel und Madrid vorstellig.

Zu einer Konfrontation der Progressiven mit den Populisten will der Präsident den Europawahlkampf machen. In Frankreich gewann er mit dieser Strategie die Wahlen im vergangenen Jahr. Doch 16 Monate nach seinem überwältigenden Sieg sind nur 19 Prozent der Franzosen mit seiner Bilanz zufrieden. „Wir sind uns bewusst, dass die Strukturreformen das Leben der Franzosen noch nicht ausreichend verändern“, sagt Castaner zu den Zahlen.

Noch beunruhigender als die Beliebtheit des Präsidenten ist eine andere Umfrage, die LREM und den Rassemblement National der Rechtspopulistin Marine Le Pen bei den Europawahlen praktisch gleichauf sieht. Doch bei einer Neuauflage des Duells von 2017 geht LREM unter ganz anderen Voraussetzungen ins Rennen. Während Macron vor einem Jahr als kompetenter Bewerber überzeugte, ist diesmal noch nicht klar, wer für die Partei als Spitzenkandidat antritt. Außerdem fehlt es an motivierten Mitgliedern, die für die Partei Wahlkampf machen könnten. Von den 400 000 Mitgliedern sollen inzwischen nur noch ein Zehntel überhaupt im Einsatz sein.

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