"Aber was weiß Gott schon?"

Saarbrücken. "Wovon handeln Bücher?", fragt der neunjährige Thomas. "Von Gott", sagt sein Vater. "Von Gott und der Liebe", entgegnet seine Mutter. "Von allen Dingen!", würde vermutlich der niederländische Autor Guus Kuijer antworten, der mit seinem warmherzig respektlosen Humor tatsächlich "Das Buch von allen Dingen" geschrieben hat

 Im neuen Stück "Das Buch von allen Dingen" steht das komplette Überzwerg-Ensemble auf der Bühne. Foto: Krämer

Im neuen Stück "Das Buch von allen Dingen" steht das komplette Überzwerg-Ensemble auf der Bühne. Foto: Krämer

Saarbrücken. "Wovon handeln Bücher?", fragt der neunjährige Thomas. "Von Gott", sagt sein Vater. "Von Gott und der Liebe", entgegnet seine Mutter. "Von allen Dingen!", würde vermutlich der niederländische Autor Guus Kuijer antworten, der mit seinem warmherzig respektlosen Humor tatsächlich "Das Buch von allen Dingen" geschrieben hat. In einer Bühnenfassung für Zuschauer ab zehn Jahren feiert der Roman jetzt Premiere im Überzwerg-Theater am Kästnerplatz.Dort war vom gleichen Schriftsteller, der in diesem Jahr mit dem Astrid-Lindgren-Gedächtnispreis die weltweit größte Auszeichnung für Kinderliteratur erhielt, bereits "Wir alle für immer zusammen" über das Mädchen Polleke zu sehen. Nun hat der kleine Thomas das Wort.

Dessen streng calvinistisches Elternhaus im Holland der 50er Jahre steht in extremem Kontrast zu Pollekes heutiger liberaler Patchworkfamilie, denn ein freier Geist herrscht in Thomas' Zuhause nicht. "Aber was weiß Gott schon?", fragt sich der Junge - ein Gott, in dessen Namen sein Vater seine Mutter verdrischt und aus Thomas den Glauben regelrecht herausprügelt.

Thomas sieht Dinge, die andere nicht wahrnehmen, kann aber daheim nicht darüber reden. Gespräche sind nicht möglich, weil sein frömmelnder Vater jedes offene Wort und jegliche Lebensfreude mit der Bibel erschlägt. Als Thomas ebenso verzweifelt wie mutig beschließt, seinen Vater mit den alttestamentarischen zehn Plagen Ägyptens zu strafen, erhält er unerwartete Hilfe von einer als Hexe verschrieenen Nachbarin.

Kann man diesen Stoff für Zehnjährige freigeben, ihnen brutale Szenen häuslicher Gewalt zumuten? Das hinterfragten die Überzwerge vorab im Gespräch mit jungen und erwachsenen Probenbesuchern. Größte Zitterpartie: Wird es funktionieren, dass über eine Rückblende via Rahmenhandlung ein Neunjähriger von einem 57-Jährigen verkörpert wird? Nach den Rückmeldungen des Testpublikums kann Thomas' Darsteller Bob Ziegenbalg, künstlerischer Leiter der Überzwerge, erleichtert aufatmen.

Regisseur Martin Brachvogel (Theater Mundwerk/Follow the rabbit, Graz/Frankfurt) stützt sich auf Thorsten Wilrodts Text-Vorlage fürs Hamburger Schauspielhaus, der er einige Brüche und Gags hinzugefügt hat. "Ich finde es unerträglich, kammerspielartig eine Wirklichkeit zu behaupten, von der wir alle wissen, dass sie so nicht existiert", erklärt Brachvogel.

"Das Buch von allen Dingen" ist eine der Personal-intensivsten Überzwerg-Produktionen seit langem. Alle Ensemble-Mitglieder sind involviert; als Gast wirkt die freie Schauspielerin Margret Gampper mit. Obendrein kooperieren die Überzwerge mit Luxemburg: Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem Mierscher Kulturhaus, wo das Stück im Herbst 2013 gastieren wird, gestaltet Do Demuth Bühne und Kostüme. kek

Die Premiere ist ausverkauft. Karten für weitere Vorstellungen Tel. (06 81) 9 58 28 30.

ueberzwerg.de

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