Erhöhte Krebsgefahr durch Flugbetrieb?

Zweibrücken · Wie gefährlich ist es, dass Passagier- und Militärflugzeuge giftiges Kerosin in der Luft ablassen und wie brisant ist die Situation speziell um den Zweibrücker Airport mit jahrzehntelangem militärischem Flugbetrieb? Anfragen an Behörden und eine Analyse des Krebsregisters im Merkur-Auftrag lassen viele Fragen offen.

 Wie schädlich das abgelassene Kerosin für die Menschen im Umkreis des Zweibrücker Flughafens ist, ist schwer nachzuweisen. Foto: schmidt/dpa

Wie schädlich das abgelassene Kerosin für die Menschen im Umkreis des Zweibrücker Flughafens ist, ist schwer nachzuweisen. Foto: schmidt/dpa

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In Rimschweiler erinnert man sich noch gut an Erzählungen von Anwohnern aus den 60er und 70er Jahren: Militärpiloten im Landeanflug sollen öfters Sprit über den Feldern abgelassen haben, etwa rund um den Heidelbergerhof und das Gelände, auf dem heute die Style Outlets stehen. Die deutschen Behörden können heute zu solchen Vorgängen nichts sagen. Dem zuständigen Bundesverkehrsministerium liegen nach eigenen Angaben solche Daten nicht vor. Auf eine Merkur-Anfrage heißt es: "In dem genannten Zeitraum haben die damaligen Militärorganisationen die Flugsicherungsdienste (An- und Abflug sowie Tower) in diesem Gebiet in Eigenregie wahrgenommen. Eine Berichtspflicht gab es nicht." Kristina Kelek, Sprecherin der Deutschen Flugsicherung, erklärt ebenfalls, dass "die Kanadier oder später die Amerikaner keine deutsche Behörde darüber informiert [hätten], da die US Airforce zum Beispiel die Flugsicherungsdienste (An- und Abflug sowie Tower) in diesem Gebiet in Eigenregie wahrnahm."

Während über die vergangenen Jahrzehnte Unklarheit herrscht, ist inzwischen bekannt, dass Passagier- und Militärflugzeuge heute zigtonnenweise Kerosin ablassen. Die Bundesregierung hatte auf eine Grünen-Anfrage im Oktober 2016 erklärt, dass zwischen 2010 und 2016 bei sogenannten Kraftstoffschnellablassungen ziviler Maschinen 992,7 Tonnen Sprit bei Flügen über Rheinland-Pfalz, dem Saarland sowie in weitere angrenzende Bundesländer in die Luft gelangten. Über Rheinland-Pfalz waren es 717,3 Tonnen, über der Region Pfalz (Südwestlich von Main bis Frankreich, Saarland und Eifel) 237,2 Tonnen. Militärjets ließen in der Zeit über Rheinland-Pfalz noch mal 130 Tonnen Sprit ab. Deutschlandweit wurden 3589,15 Tonnen Flugbenzin von Militärjets und Passagierfliegern in die Luft schnell entsorgt.

Doch die Folgen für die Bevölkerung sind unklar. Fakt ist: Benzol als Bestandteil von Flugtreibstoff wurde 2012 von der International Agency for Research on Cancer (IARC) als hochgradig krebserregend eingestuft, wenn man ihn einatmet oder er über die Haut in den Körper gelangt. Wie krebserregend Flugtreibstoff, in dem noch andere Substanzen enthalten sind, insgesamt ist, lässt sich indes nicht sagen. Entsprechende Untersuchungen fehlen. Flugzeugtreibstoffe sind jedenfalls "chemische Mineralölkohlenwasserstoffe, die in hohen Konzentrationen toxisch für Mensch und Umwelt wirken", wie die Bundesregierung auf die Grünen-Anfrage erklärt hatte. Es sei schwach giftig für Säugetiere und Vögel, könne Grund- und Oberflächenwasser verunreinigen, sich "erheblich" auf die Trinkwassergewinnung auswirken. Die dafür nötigen Konzentrationen würden aber nicht erreicht, wenn es in der Luft abgelassen werde.

Unter Verweis auf Untersuchungen des Tüv Rheinland sprach sie auch von einer "vernachlässigbaren Kontamination des Bodens". Aktuellere Untersuchungen lägen aber nicht vor. Auch nicht darüber, wie sich abgelassener Treibstoff "unmittelbar oder mittelbar auf die Gesundheit von Menschen" auswirke. Immer wieder verweisen Kritiker auf Studien, die gerade in Amerika die Gesundheitsgefahren von Flughafenanwohnern aufzeigen.

Wie verhält es sich in Zweibrücken, das nicht nur in der Zone "Gebiet Pfalz" liegt, in der häufig Kerosin in der Luft abgelassen wird, sondern in der es seit vielen Jahrzehnten Flugbetrieb gibt? Das rheinland-pfälzische Umweltamt nahm das Thema "flugverkehrsbedingte Immissionen auf die nahegelegene Wohnbebauung" von 2002 bis 2004 zwar nicht in Sachen Rosenstadt, aber an den Beispielen der US-Airbases Ramstein und Spangdahlem unter die Lupe. Ein Sondermessprogramm ergab dort weder Auffälligkeiten oder Überschreitungen bei den Treibstoffanalysen noch den Immissionsmessungen. Es verwundert also nicht, wenn das rheinland-pfälzische Umweltministerium auf Merkur-Anfrage generell erklärt, es habe bisher keine Anhaltspunkte für Bodenbelastungen rund um militärische Flugplätze, die unmittelbar und ursächlich mit dem militärischen Flugverkehr in Verbindung stehen. Kraftstoffschnellablassungen im Speziellen fänden "in großer Höhe und über einem sehr großen Gebiet statt", so Sprecherin Josephine Keller: "Ohne konkrete Anhaltspunkte kann vonseiten des Bodenschutzes somit keine gezielte Beprobung erfolgen."

Könnte Kerosin zu verstärkten Krebsfällen in der Region geführt haben, wenn sich bei Starts und Landungen in die Luft geblasenes oder abgelassenes Flugbenzin und Benzol im Boden anreicherten und etwa in heimisch angebautes Gemüse gelangten? Etwa in Contwig wundert man sich schonmal über verstärkte Krebsfälle in bestimmten Straßen, über die früher Flieger heranschwebten. Bürgermeister Karlheinz Bärmann weiß indes nichts von diesem Phänomen. "Nein, aber" lässt sich auf die Frage nach hiesigen Krankheitshäufungen eine wissenschaftliche Analyse des rheinland-pfälzischen Krebsregisters deuten, die es exklusiv auf Merkur-Anfrage erstellt hat. Analysiert wurden die hiesigen Krebsfälle für die Jahre 2009 bis 2013. Die Auswertung ist mit Problemen behaftet. Die Experten unter ärztlicher Leitung von Dr. Sylke Zeißig merken an, dass Auswertungen auf Basis von kleinen Gemeinden mit niedrigen Einwohnerzahlen statistisch ungenau seien. Auch deshalb analysieren sie nicht gezielt nur die Bereiche in Flughafennähe und der Einflugschneise (etwa Rimschweiler, Hornbach, Contwig, Althornbach), sondern größere Einheiten. Mögliche Häufungen in bestimmten Orten oder Ortsteilen sind dadurch natürlich schwerer aufzudecken. Die Wissenschaftler schauten sich bei den Neuerkrankungen nur die Zahlen für Zweibrücken und die Verbandsgemeinde Zweibrücken-Land insgesamt an, bei den Krebssterbefällen für ganz Zweibrücken und sogar nur den kompletten Landkreis Südwestpfalz, weil ihm hier die Verbandsgemeindezahlen fehlen.

Die Wissenschaftler berechneten, wie viele Krebsfälle statistisch deutschland- und Rheinland-Pfalz-weit zu erwarten gewesen wären und verglichen das mit den tatsächlich gemeldeten Fällen. Dabei gab es unter Männern in Zweibrücken (605 Fälle) gemessen an allen in Rheinland-Pfalz tatsächlich mehr Krebsneuerkrankungen als erwartet. Die Experten des Krebsregisters erklärten sich das dadurch, dass ihnen landesweit trotz gesetzlicher Meldepflicht nicht alle Neuerkrankungsfälle mitgeteilt wurden. Denn bei den Frauen (532 Fälle) fand sich dieser Trend nicht und weder bei Männern noch bei Frauen, wenn man die Krebsfälle auf deutscher Ebene verglich. Auch die Erkrankungen im Landkreis bei Frauen (231) und Männern (220) waren nicht ungewöhnlich hoch. Ebenfalls bewegten sich die Krebssterbefälle für Zweibrücken (Männer: 262, Frauen: 199) und den Landkreis (Männer: 664, Frauen: 510) im gewöhnlichen Rahmen.

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Kraftstoff-Schnellablass Im zivilen Bereich haben nur vierstrahlige Langstreckenflugzeuge technische Möglichkeiten zum Ablassen des Treibstoffs (Kraftstoffschnellablass / Fuel Dumping), erläutert die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Grünen-Anfrage im Oktober 2016. Beim Kraftstoffschnellablass handelt es sich um ein Notverfahren sowohl für zivile als auch für militärische Luftfahrzeuge, um aus Gründen der Flugsicherheit eine sichere Kontrolle und Landung des Luftfahrzeuges zu ermöglichen. Gründe der Flugsicherheit sind etwa Situationen, die eine schnellstmögliche Landung erforderlich machen, obwohl sich noch große Kraftstoffmengen an Bord befinden, wie beispielsweise unmittelbar nach dem Start. Die Flugsicherung weist dem Piloten ein Gebiet zum Ablassen zu.

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