Taliban wollen mit Regierung verhandeln Kleine Hoffnung auf Frieden in Afghanistan

Kabul/Brüssel/Berlin · „Egal wie hoch ein Berg auch sein mag, ein Pfad führt zur Spitze“, sagt ein afghanisches Sprichwort. Die Afghanen selbst allerdings waren in der vergangenen Zeit vom Weg abgekommen, über vier Jahrzehnte mussten sie Blutvergießen, Leid und Brutalität ertragen.

 Die USA und die Taliban hatten vor einem halben Jahr den Weg zu Friedensverhandlungen freigemacht.  Zalmay Khalilzad (l.), US-Sondergesandte für Aussöhnung in Afghanistan, und Mullah Abdul Ghani Baradar, Leiter des politischen Büros der Taliban, schütteln sich im Februar in Katar die Hand, nachdem sie ein Abkommen unterzeichnet haben.

Die USA und die Taliban hatten vor einem halben Jahr den Weg zu Friedensverhandlungen freigemacht. Zalmay Khalilzad (l.), US-Sondergesandte für Aussöhnung in Afghanistan, und Mullah Abdul Ghani Baradar, Leiter des politischen Büros der Taliban, schütteln sich im Februar in Katar die Hand, nachdem sie ein Abkommen unterzeichnet haben.

Foto: dpa/Hussein Sayed

Der Konflikt gilt als tödlichster der Welt. Nun aber keimt Hoffnung auf ein Ende: Erstmals wollen sich Taliban und Vertreter der Regierung an einen Tisch setzen. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren. Auch Diplomaten sind bereits in der katarischen Hauptstadt Doha eingetroffen, wo der Auftakt mit Spannung erwartet wird.

Zuletzt ging der Konflikt in Afghanistan brutal weiter, ein Gefangentausch, der eigentlich Vertrauen aufbauen sollte, war immer wieder ins Stocken geraten. Beide Konfliktparteien betrachten ihn nun als abgeschlossen. Doch die Freilassung einiger weniger Taliban, die auch Nato-Soldaten getötet haben sollen, führte zu Komplikationen. Sie sollen nun zunächst unter Hausarrest gestellt werden, damit der Start der Friedensgespräche in den kommenden Tagen beginnen kann.

Ein halbes Jahr ist vergangen, seitdem die Vereinigten Staaten mit den Taliban ein Abkommen unterzeichnet hatten. Die USA wollen ihre Soldaten abziehen, im Gegenzug sollen die Taliban garantieren, dass von Afghanistan keine Terrorgefahr mehr ausgeht. Der Deal verpflichtete die Islamisten auch zur Aufnahme innerafghanischer Friedensgespräche. Die Positionen der Konfliktparteien könnten kaum unterschiedlicher sein, und doch haben sie ein gemeinsames Ziel: Beide Seiten sagen, dass sie den blutigen Konflikt beenden wollen.

In den Verhandlungen geht es aber um weit mehr als nur ein Ende der Gewalt. Am Ende könnte ein Land mit einem völlig neuen politischen System entstehen. So fordern die Taliban eine rein islamische Regierung, ohne genauer zu definieren, wie sich diese von der derzeitigen Islamischen Republik Afghanistan unterscheiden soll. Wahlen lehnten die Islamisten bisher ab, Afghanistans Regierung hingegen hat die Republik als unverhandelbar erklärt.

Deutschland und die anderen Nato-Partner der USA beobachten die Entwicklungen mit einer Mischung aus vorsichtigem Optimismus und Sorge. Auf der einen Seite hoffen sie, dass die von den Amerikanern angestoßenen Entwicklungen wirklich zu einem nachhaltigen Friedensprozess führen. Auf der anderen Seite gibt es weiter die Befürchtung, dass es US-Präsident Donald Trump am Ende nur darum geht, noch vor der US-Präsidentschaftswahl im November einen vollständigen Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan anordnen zu können – um sein Versprechen zu erfüllen, den längsten Krieg in der Geschichte Amerikas zu beenden.

In der Nato besteht die Sorge, dass es im schlimmsten Falle eines Rückzugs schnell wieder zu einer Destabilisierung des Landes und zu Rückschritten bei Demokratie und Menschenrechten kommen könnte. Das fast zwei Jahrzehnte lange Nato-Engagement in Afghanistan könnte so umsonst gewesen sein – auch für die Bundeswehr, die seit Beginn des Einsatzes bereits 59 Soldaten verloren hat.

Für den Fall, dass der Friedensprozess in Gang kommt, hat Washington den Taliban in Aussicht gestellt, dass die US- und Nato-Truppen bis Ende April 2021 aus Afghanistan abgezogen sind. Doch auch wenn es dazu kommt, die Terrorgefahr wird vermutlich bleiben, warnen Experten. Sie gehen davon aus, dass Gruppen wie der Islamische Staat Zulauf von Talibankämpfern erhalten könnten, die eine zivile Einigung mit der Regierung ablehnen. Dann müssten einst verfeindete Talibankämpfer und Soldaten der afghanischen Armee Seite an Seite kämpfen.

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