Manfred Weber (CSU) Manfred Weber hat noch nicht gewonnen

San Sebastian · Das Finale hat begonnen. Manfred Weber weiß das. Ob der 46-jährige CSU-Politiker aus Niederbayern in den nächsten Tagen zum Präsidenten der Europäischen Kommission und zum mächtigsten Mann in der EU aufsteigt oder im politischen Alltag versinkt – noch ist alles möglich.

 Manfred Weber (CSU) will Präsident der EU-Kommission werden.

Manfred Weber (CSU) will Präsident der EU-Kommission werden.

Foto: dpa/Michael Kappeler

„Wir haben eine starke und geschlossene Fraktion“, sagte er am Mittwoch. Die Europäische Volkspartei (EVP), das Sammelbecken der Christdemokraten aus den 28 Mitgliedstaaten, hat ihre alten und neuen Abgeordneten im spanischen San Sebastian zu einer Klausurtagung zusammengeholt. Am Abend flog Weber nach Brüssel zurück, um so etwas wie Koalitionsverhandlungen mit Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen zu beginnen. Da geht es um Knackpunkte wie Klimaschutz, Forschung, Außenpolitik. Erst sollen die Inhalte und damit parlamentarische Mehrheiten stehen, dann will man über Namen reden.

„Weber“, sagte EVP-Urgestein und Parteichef Joseph Daul, „macht das sehr gut“. Und auch Elmar Brok, langjähriger Chef-Außenpolitiker des Parlamentes, meinte: „Webers Chancen werden von Tag zu Tag besser.“ Denn der Spitzenkandidat der Christdemokraten bei der Wahl am 26. Mai will nicht bleiben, was er seit vergangener Woche wieder ist: Vorsitzender der größten Fraktion im EU-Parlament. Weber bewirbt sich um die Nachfolge Jean-Claude Junckers an der Spitze der EU-Kommission.

Viele Parteifreunde Webers fragen sich, warum ihr Chef nicht einen eigenen Personalvorschlag vorgelegt hat, um den EU-Gipfel zu überzeugen. Denn nicht nur die Christdemokraten wissen: Am Ende muss ein Name stehen, der in das Mosaik passt. (Annähernd) genauso viele Männer wie Frauen sollen es sein. Ost, West, Nord und Süd wollen berücksichtigt werden, keine Parteienfamilie darf zu kurz kommen. Aber viele Personalgerüste, die hier in San Sebastian, aber auch in Brüssel die Runde machen und sich um Weber ranken, haben ein großes Defizit: Sie lassen nicht genügend Platz für Frauen.

„Das wird nur dann lösbar, wenn man einen anderen Namen für die Kommission einsetzt“, fasste einer der altgedienten Kenner der Brüsseler Politik die Debatten zusammen: Dalia Gybrauskaite, bis vor kurzem Staatspräsidentin Litauens, ehemalige EU-Kommissarin. Als Frau könnte sie zugleich den Osten vertreten. „Mit ihr ist die Verteilung der Jobs ganz einfach“, spekulierte ein ranghoher Christdemokrat. Das stimmt, aber in keinem dieser Konzepte spielt Weber noch eine Rolle. Aus Webers Umfeld wiederum heißt es beharrlich, einen Ersatzplan ohne den Niederbayern gebe es nicht. Würde die EVP wirklich ihren eigenen Spitzenkandidaten fallenlassen?

Helfen könnte Weber, dass sich ein Kampf um die Macht des Parlaments anbahnt. Denn Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron steht längst in dem Ruf, die Unantastbarkeit der Abgeordnetenkammer zu missachten. Mehr noch: Er wolle, so heißt es, direkt über die durch die französischen Parlamentarier gestärkte liberale Fraktion in die Volksvertretung hineinregieren.

Die ersten Initiativen in diese Richtung haben den Widerstand in den Reihen der Christ- und Sozialdemokraten und Grünen provoziert, sie scheinen zusammenzurücken. Das dürfte Weber nützen, wenn man den CSU-Mann, so das Kalkül, wenigstens inhaltlich auf bestimmte sozialdemokratische und grüne Positionen festnagelt. Das wäre dann so etwas wie eine „Regierungsmehrheit“, gegen die der EU-Gipfel nicht ankommen werde, spekulieren die drei Parteienfamilien in Brüssel. Weber hat noch nicht verloren, aber auch noch nicht gewonnen.

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