Parlamentswahlen in Dänemark Dänische Sozialistin wildert im rechten Revier

Kopenhagen · Ist die Sozialdemokratie noch zu retten? Während die SPD in Deutschland in einem Führungschaos steckt und auch Genossen in anderen Ländern zu den Verlierern der EU-Wahl zählen, läuft es für die Sozialdemokraten in Skandinavien besser.

 Mette Frederiksen (41), Spitzenkandidatin der dänischen Sozialdemokraten  Foto: Nielsson/picture alliance/dpa

Mette Frederiksen (41), Spitzenkandidatin der dänischen Sozialdemokraten Foto: Nielsson/picture alliance/dpa

Foto: picture alliance/dpa Picture-Alliance / Johan Nilsson

Auch in Dänemark greift jetzt eine Sozialdemokratin nach dem Spitzenamt: Mette Frederiksens Chancen für die dänische Parlamentswahl an diesem Mittwoch stehen überaus gut – auch weil sie beim Thema Einwanderung im Lager der Rechten wildert.

Umfragen kündigen seit Monaten einen Durchmarsch für Frederiksen an, um den liberalen Regierungschef Lars Løkke Rasmussen aus dem Amt zu drängen. Zuletzt kam ihre Partei in einer Befragung des Analyseinstitutes Voxmeter auf mehr als 29 Prozent, der sogenannte rote Block um ihre Sozialdemokraten auf 108 der 179 Sitze im Parlament. Bewahrheiten sich diese Werte am Wahlmittwoch, dürfte Dänemark zum zweiten Mal nach Helle Thorning-Schmidt von einer Frau regiert werden und noch dazu von der mit 41 Jahren jüngsten Person, die jemals an der Spitze einer dänischen Regierung gestanden hat.

Frederiksen sagt von sich selbst, sie habe sozialdemokratische Werte schon von klein auf im Blut gehabt. Sie stammt ursprünglich aus einem Arbeiterviertel der Stadt Aalborg in der Region Nordjütland. Unter Thorning-Schmidt war sie Arbeits- und später Justizministerin. 

Frederiksens Partei will die Zuwanderung aus nicht-westlichen Staaten begrenzen und Aufnahmelager für Asylbewerber außerhalb Dänemarks fordern. Diese restriktivere Migrationspolitik hat zwar zu Spannungen mit den anderen Parteien im roten Block geführt, fischt sie damit doch auf der anderen Seite des politischen Spektrums um Stimmen. Gleichzeitig nimmt sie der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei damit den Wind aus den Segeln. In diesem Zuge müssen die Rechtspopulisten wohl – wie bereits bei der Europawahl – mit klaren Verlusten rechnen.

Geht diese Strategie auf? Frederiksen selbst warnte trotz der Umfragewerte, dass die Stimmen für den 5. Juni noch nicht abgegeben worden seien. Und auch die Europawahl dürfte sie verunsichern: In Prognosen hatten die Sozialdemokraten am Wahlabend noch vor der Partei Venstre gestanden – am Ende gewannen Løkkes Liberale dann aber doch. Apropos Løkke: Aus taktischen Gründen ließ er sich mit dem Ausrufen der Wahl – das darf in Dänemark nur der Regierungschef tun – angesichts der Umfragewerte so lange Zeit wie kein Ministerpräsident vor ihm. Das Ergebnis der EU-Wahl, das beste von Venstre jemals, macht ihm nun Hoffnung. In den Umfragen für die nationale Wahl kommt er dennoch nicht vom Fleck – Venstre stand zuletzt weiter bei etwa 17,5 Prozent.

Schlimmer sieht Løkkes Lage aus, rechnet man die Werte seiner Partner hinzu. Besonders die Dänische Volkspartei, die seine Regierung bislang mit ihren Stimmen unterstützt hat, steckt in der Krise. Bei der Europawahl kamen die Rechtspopulisten auf weniger als 11 Prozent nach 26,6 Prozent vor fünf Jahren. Droht nun ein weiteres Debakel? Bei der Parlamentswahl 2015 hatten sie 21,1 Prozent erreicht – und damit sogar mehr als Løkkes Venstre.

Der Politikwissenschaftler Kasper M. Hansen spricht bereits von der „rötesten“ Wahl seit fast 50 Jahren. Die Einwanderung werde dabei –  neben Klima sowie Fragen des Renten- und Gesundheitswesens –  besonders wichtig sein, sagt der Wissenschaftler der Universität Kopenhagen. Es sei durchaus realistisch, dass die Sozialdemokraten es im Falle eines Wahlsieges zunächst mit einer Minderheitsregierung versuchen werden: Am Ende könnte Frederiksen so bei der Einwanderung mit dem blauen Block zusammenarbeiten und bei allem Weiteren mit ihren traditionellen Partnern.

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