Ebola – unterschätzte Gefahr

Die Ebola-Seuche war bislang ein aus europäischer wie amerikanischer Sicht beherrschbares Phänomen. Doch pessimistische Wissenschaftler rechnen in den kommenden Monaten mit einer Ausbreitung des Virus über die stark betroffenen Länder Sierra Leone, Liberia und Guinea hinaus.

Wie schnell die Seuche importiert werden kann, zeigten zuletzt die Diagnose einer Krankenschwester in Spanien und der Fall des in Texas verstorbenen Afrikaners. An diesem amerikanischen "Patienten Zero" und der gestern gemeldeten zweiten Erkrankung in den USA lassen sich auch bestens jene Schwächen ablesen, die den Kampf gegen eine Pandemie weltweit viel schwerer machen werden, als es Behörden bisher öffentlich einräumen. Die größte Schwäche des bisherigen Kontrollsystems ist, dass es sich in Westafrika auf die Ehrlichkeit möglicher Ebola-Patienten stützt. Aber warum sollte ein Reisender, den in Europa oder den USA eine exzellente medizinische Behandlung erwartet, beim Abflug wahrheitsgemäß Symptome oder einen Kontakt mit bereits Erkrankten einräumen? Die wenig attraktive Folge wäre eine Isolation im afrikanischen Ausreiseland. Dort aber kommen die Hilfsbemühungen nur schleppend in Gang, Korruption wie überbordende Bürokratie verzögern schon einfachste Prozeduren wie das Ausladen von Feldhospitälern. Temperaturmessungen bei den Grenzkontrollen lassen sich durch Einnahme von Aspirin manipulieren. Und Erkrankungen im Frühstadium werden so ohnehin nicht erkannt. Auch drohende Strafverfolgung dürfte potenzielle Ebola-Patienten kaum davon abhalten, bei Fragen über Leben und Tod zu lügen.

Diese systemischen Mängel werden dadurch noch potenziert, dass Flugzeuge und insbesondere die Bordtoiletten ein ideales Umfeld für die Weiterverbreitung des Virus bieten. Kanadische Wissenschaftler wollen zudem jetzt deutliche Hinweise dafür gefunden haben, dass Ebola auch durch die Luft - etwa beim Niesen - übertragen werden kann.

Auch der Umgang mit der ersten Ebola-Erkrankung in den USA zeigt eklatante Schwachstellen. Zunächst wurde der Patient wieder nach Hause geschickt, dann hat man Verwandte und Freunde ausgerechnet in der kontaminierten Wohnung zwangsisoliert. Bevor dort eine Reinigungsfirma säuberte, hatten städtische Beamte die Wohnung schon ohne Schutzkleidung betreten. Das alles ergibt das Bild einer völlig überforderten Bürokratie - ein Schreckens-Szenario, das sich auch in Europa und andernorts wiederholen kann. Was unausweichlich die Frage neu beleben dürfte, ob ein konsequentes temporäres Einreiseverbot für Passagiere aus von der Seuche betroffenen Ländern nicht doch momentan den bestmöglichen Schutz bietet.

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