Analyse Der Mann, der Merkel zur Entschuldigung nötigte

Berlin  · Ein Auftritt, der ihm misslungen ist. Als Helge Braun am Mittwochabend in der Maischberger-Talksendung gefragt wurde, warum er keine Impfbörse einrichte, warum liegengebliebener Impfstoff nicht freigegeben werde, antwortete der Kanzleramtsminister: „Also,…“ – um dann ausgiebig herum zu eiern.

Alles wandert über seinen Schreibtisch: Merkels Corona-Manager Helge Braun.

Alles wandert über seinen Schreibtisch: Merkels Corona-Manager Helge Braun.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Schon beim Thema „Osterruhe“ hatte der CDU-Politiker mit dem treuherzigen Blick keine gute Figur gemacht. Es läuft nicht gut für Angela Merkels wichtigsten Mann.

Helge Braun, 48, geboren in Gießen, ehemaliger Anästhesist, schwergewichtig, gerne bezeichnet man ihn auch als „Balu der Bär“, weil er so gutmütig daherkommt. Der „ChefBK“, so sein Kürzel, ist Angela Merkels Corona-Manager. Seit Beginn der Pandemie ist alles über Brauns Schreibtisch gewandert, was die Regierung zusammen mit den Ländern auf den Weg gebracht hat. Jede Beschlussvorlage stammt von ihm und seinem Stab. Allerdings ergeht es Braun derzeit wie vielen im Kabinett der Kanzlerin: Anfänglich hoch gelobt für seine Arbeit, wird er nun hart kritisiert. Braun ist der Mann, der Angela Merkel zu ihrer vierminütigen Entschuldigung genötigt hat. Die völlig verkorkste „Osterruhe“ war seine Idee.

Im Kreise der Ministerpräsidenten, auch in der Unionsfraktion ist der Unmut groß, wie unausgegoren der Plan gewesen ist. Braun hatte Montagnacht nach sieben Stunden Videokonferenz von Bund und Ländern den brisantesten Punkt der Beratungen plötzlich aus der Schublade gezogen und die übermüdeten Ministerpräsidenten damit überrumpelt. Die Ankündigung der Maßnahme sei „ein großer Fehler“ gewesen, räumte er inzwischen ein. So etwas dürfe nicht wieder passieren. Ein Fehler freilich, den die Kanzlerin anschließend „qua Amt“ vollends auf ihre Kappe nahm. Weshalb sich wiederum die Ministerpräsidenten gezwungen sahen, ebenfalls kleinlaut zurückzurudern. Nicht jeder Landesfürst wird Braun die Blamage verzeihen.

Auch viele Abgeordnete der Union sind die Regierungspannen leid, die sie im Wahlkreis um die Ohren gehauen bekommen. Manch einer spricht von „Bunkermentalität“ im Kanzleramt. „Planlos, ratlos, mutlos“, warf in dieser Woche ein CDU-Parlamentarier in einem offenen Brief der Regierung vor – das war indirekt auch ein Angriff gegen den Krisenmanager Braun. Sein Standing in den eigenen Reihen hat ohnehin gelitten, seit er Ende Januar überraschend mit dem Vorschlag um die Ecke kam, die Schuldenbremse auszusetzen, also einen Markenkern der Union über Bord zu werfen. Damals war der Ärger über Braun mindestens genauso groß wie er jetzt ist.

Die Rufe nach mehr Effektivität, nach weniger Chaos werden nun von allen Seiten immer lauter. Viele halten Braun inzwischen für überfordert. Doch wie an allen anderen Pannenministern hält Merkel auch an ihrem Vertrauten fest, mit dem sie in der siebten Etage des Kanzleramtes das Land regiert. Einen Austausch von Kabinettsmitgliedern wenige Monate vor der Bundestagswahl im September hatte Merkel unlängst abgelehnt. Mit ihrer Entschuldigung stellte sie sich sogar demonstrativ vor Braun. In Berlin kursierte schon mal das Gerücht, der Hesse wolle seinem Ziehvater Volker Bouffier im Amt des Ministerpräsidenten folgen. Sollte es diese Hoffnung tatsächlich gegeben haben, dürfte sie sich nun zerschlagen haben.

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