Leitartikel Zuverlässiger, pünktlicher, klimaschonender – klingelt es?

Schön wär’s, wenn diesmal alle Träume von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer in Erfüllung gingen. Richtig ist, der „Schienenpakt“ ist ein sehr umfassendes Konzept bis zum Jahr 2030. Er zeigt auf, in welche Richtung es für die Bahn gehen soll – mehr Menschen und Güter will man auf die Schiene bringen, die Bahn soll zuverlässiger, pünktlicher und klimaschonender werden.

 Hagen Strauss

Hagen Strauss

Foto: SZ/Robby Lorenz

Klingelt es? Genau. Das ist alles absolut nicht neu, denn schon seit Jahren oder vielleicht sogar Jahrzehnten sind das die Ziele, die der Konzern und der Bund als Eigentümer gebetsmühlenartig ausgeben. Realisierung? Zu oft Fehlanzeige. Neu ist diesmal freilich die Kooperation vieler aus der Sparte Bahn, selbst der Fahrgastverband und die bockige Gewerkschaft der Lokomotivführer um den früheren Streikguru Claus Weselsky haben sich einspannen lassen. Das hat es in der Form noch nicht gegeben, und das könnte für einen Schub sorgen. Gelingt die Umsetzung des Konzeptes einer Eisenbahnpolitik aus einem Guss, wird das nicht nur die Bahn voranbringen, sondern auch erhebliche positive Effekte für die Passagiere haben, darüber hinaus für den Wirtschaftsstandort Deutschland, für Arbeitsplätze und Technologieentwicklung.

Aber, wie so oft, wenn Scheuers PR-Maschine in Gang gesetzt wird, muss man auch hinter die schöne Fassade gucken. So dürfte es beim sinnvollen und längst überfälligen „Deutschlandtakt“ viel länger dauern, bis er tatsächlich bundesweit auf den zentralen Strecken umgesetzt werden kann. Es fehlt an schnellen Zügen, doppelstöckigen wie in Frankreich zumal; es mangelt an zusätzlichen Gleisen, Personal benötigt der Konzern ebenfalls dringend. Dass ein Zug noch in diesem Jahr alle 30 Minuten zwischen Berlin und Hamburg fahren soll, ist somit nur ein Appetithäppchen.

Außerdem braucht es für den „Deutschlandtakt“ eine passgenaue Vernetzung mit dem öffentlichen Nahverkehr, mit Bussen und anderen Zubringern. Das ist moderne Mobilität, die aber noch lange nicht in Sicht ist. Wenn Fernzüge zudem möglichst viele Flüge überflüssig machen sollen, und das ist ja eine zentrale Klimakomponente, muss es auch wieder Nachtzüge auf allen längeren Verbindungen geben. Ähnlich viele Baustellen gibt es beim Transport von Gütern. Ein Viertel des gesamten Güterverkehrs soll bis 2030 auf die Schiene verlagert werden, die Bahn damit zu einer echten Konkurrenz für den Lkw-Verkehr werden. Bei einer Pünktlichkeitsquote des Schienengüterverkehrs von derzeit bestenfalls 60 Prozent, bei Stornierungen ganzer Zugverbindungen bis hin zu weiträumigen Totalausfällen der Infrastruktur ohne Ersatzstrecken, ist das ein mehr als anspruchsvolles Ziel.

Der „Schienenpakt“ will vieles verändern. Doch selbst Scheuers CSU-Parteifreunde erinnern daran, dass die finanzielle Unterfütterung fehlt. Das ist das größte Manko. Der Bund gibt zwar in den nächsten zehn Jahren 86 Milliarden Euro zur Sanierung des maroden Schienennetzes. Zudem sollen die Corona-Folgen mit weiteren Milliarden abgemildert werden. Reichen dürfte das Geld aber nicht, um Scheuers Träume tatsächlich zu erfüllen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort