Meinung: Partei im Abschwung Der AfD fehlt in der Krise der Schuldige

Im Streit um Andreas Kalbitz geht es vor allem um Taktik.

 Werner Kolhoff

Werner Kolhoff

Foto: SZ/Robby Lorenz

Die Auseinandersetzung zwischen AfD-Chef Jörg Meuthen und Vorstandsmitglied Andreas Kalbitz ist kein Einzelfall. In vielen AfD-Landesverbänden und Kommunalparlamenten wird ähnlich hart gemobbt, abgewählt und ausgeschlossen. Alexander Gaulands Entschuldigung, die AfD sei eben ein „gäriger Haufen“, trägt sieben Jahre nach der Gründung nicht mehr so recht. Mobbing ist bei den Populisten vielerorts Normalzustand und die Jagd nach Macht und Mandaten ein wesentlicher Zweck des Engagements.

Hinzu kommt der schwelende Streit mit dem rechtsextremen „Flügel“. Dabei geht es letztlich um die Frage, wie viel Nazi-Verklärung und prinzipiellen Rassenhass die AfD braucht, um erfolgreich zu sein, wie extrem sie also sein soll. Die Bürgerlichen im Westen finden: Eher weniger. Die im Osten, darunter auch Gauland, sagen: Wir müssen alle mitnehmen. Nicht, dass es ein prinzipieller Streit wäre: Auch Meuthen möchte die rechten Wähler gewinnen. Er meint nur, sie ließen sich besser durch eine Partei mobilisieren, die getrennt von der AfD marschiert und ihr selbst die Weste sauber hält. Der Streit ist also taktischer Natur. Weil es um Machtfragen geht, wird er gleichwohl gnadenlos geführt.

Doch mit so etwas haben die AfD-Wähler zu leben gelernt. Corona ist für sie das größere Problem. Ohnehin macht der Partei zu schaffen, dass die von Populisten regierten Länder wie die USA, Brasilien oder Großbritannien viel schlechter durch die Krise kommen als die Regierung der verhassten Kanzlerin Angela Merkel. Die AfD findet auf die Situation keine konstruktiven Antworten, nicht einmal Forderungen, denen viele zustimmen könnten. Und den Flüchtlingen kann man jetzt kaum die Schuld geben.

Bisher hat die Partei immer gut davon gelebt, gegen alles zu sein. Gegen Griechenlandrettung, Migration, Islam und Klimapolitik. Das trägt jetzt nicht mehr. Anfangs versuchte man, sich an die Anti-Corona-Demos anzuhängen, Aluhut-Träger inklusive. Diese Bewegung ist jedoch schon mit den ersten Lockerungen in sich zusammengefallen. Nun erklärt man „Merkels Lockdown“ für schuldig an der schwierigen Lage vieler Menschen und unterstützt die Forderungen jeder Gruppe, ob Taxifahrer oder Busunternehmen, Hoteliers oder Wirte. Man versucht, die Krisenfolgen für sich zu nutzen. Es bleibt jedoch ein nicht zu behebender Makel, dass die AfD als einzige Partei im Bundestag im März dem Rettungspaket nicht zugestimmt hat, das genau diesen Betroffenen helfen sollte, sondern sich der Stimme enthielt. Die AfD hat damals viele ihrer Anhänger im Stich gelassen.

Aktuell liegt sie bei unter zehn Prozent in den Umfragen. Beruhigen sollte das allerdings niemanden. Zehn Prozent, das dürfte der Bodensatz jener sein, die den Staat, das System und die moderne Gesellschaft ziemlich prinzipiell und emotional ablehnen. Und die sich weiter hinter der AfD scharen werden. Egal, ob deren Anführer Meuthen, Kalbitz oder Gauland heißen.

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