Bundeswehr braucht Tradition, aber welche?

Berlin · Analyse Der Fall Franco A. hat eine heftige Debatte über die Erinnerungskultur in der Bundeswehr ausgelöst – und welche Rolle die Wehrmacht dabei spielen darf.

Wehrmachtshelme im Regal, heroische Landser-Malereien an der Wand, historische Waffen in der Ecke: Die Inneneinrichtung eines Gemeinschaftsraums in der Kaserne im französischen Illkirch hat die Öffentlichkeit aufgeschreckt. Dort, wo der rechtsextreme Oberleutnant Franco A. seinen Dienst verrichtete und womöglich einen Anschlag plante, wurden neben anderen militärhistorischen Erinnerungsstücken im Gruppenraum Andenken an die Wehrmacht glorifiziert. Nach einem Rundgang machte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen klar: "Die Wehrmacht ist in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr." Aber ist das wirklich so? Bereits vor Jahrzehnten verließ der letzte ehemalige Wehrmachtssoldat die Bundeswehr. "Aber der Geist der Wehrmacht scheint durch Symbole und Devotionalien immer noch partiell vorhanden zu sein", meint der Obmann der Linken im Verteidigungsausschuss des Bundestags, Alexander Neu.

Tradition ist wichtig in der Truppe: Wer kämpfe, sein Leben für Werte und Vaterland riskiere, der brauche Identifikationssymbole, Rituale und Zeremonien, sagen Militärs. Deutsche Soldaten dürfen sich auf gewisse Traditionslinien berufen, sie dürfen etwa stolz sein auf die preußischen Heeresreformer oder den Widerstand im "Dritten Reich". Dieses Reich selbst aber gehört nicht dazu.

Bis morgen werden nun alle Kasernen nach Andenken an dunkle Zeiten durchkämmt. Es wird nicht bei den Helmen aus Illkirch bleiben, da sind sich Experten sicher. "Es passiert uns immer wieder, dass wir Menschen haben, die unreflektiert Dinge in Kasernen bringen, das wollen wir nicht haben", meint etwa der Inspekteur des Heeres, Jörg Vollmer.

Nicht wenige Soldaten reden mitunter noch mit einem Hauch Bewunderung von der Wehrmacht, zumindest was einzelne militärische Entscheidungen und Operationen angeht. Die historische Forschung hält es aber weithin für erwiesen, dass die Wehrmacht während der Nazi-Diktatur unter anderem in der damaligen Sowjetunion an Kriegsverbrechen gegen Juden, Kriegsgefangene und Zivilisten beteiligt war.

Trotzdem sind auch mehr als 60 Jahre nach Gründung der Bundeswehr noch viele Kasernen nach militärischen Größen aus Wehrmachtszeiten benannt - etwa die Lent-Kaserne in Rotenburg nach Oberst Helmut Lent, ein erfolgreicher Nachtjäger-Pilot. Eine ganze Reihe Kasernen, die Namen nationalsozialistisch belasteter Generäle trugen, wurde bereits umbenannt, etwa 1995, als aus der Generaloberst-Dietl-Kaserne in Füssen die Allgäu-Kaserne wurde.

Das Umbenennen sei aber nicht so einfach, die Gemeinden hätten dabei mitzureden, heißt es in der Bundeswehr. Die Unsicherheit über das historische Erbe ist unter Soldaten groß. Die Bundeswehr will prüfen, ob Devotionalien wie Helme oder Waffen im Einklang stehen mit dem Traditionserlass, der regelt, was Soldaten aufhängen dürfen. Doch der Erlass ist alt und an entscheidenden Stellen vage. Von der Leyen will ihn überarbeiten lassen.

Heeresinspekteur Vollmer plädiert dafür, dass sich die Soldaten auf der Suche nach Idolen aus der jüngeren Geschichte bedienen. "Wir haben 60 Jahre Bundeswehr", meint er. "Wir haben so viel Gemeinsamkeiten erlebt, da gibt es so vieles aus den Einsätzen des Heeres festzuhalten und sich daran beispielhaft zu erinnern." Auch Fotos von Kameraden aus Afghanistan, aus Mali oder Bosnien, oder Urkunden vom Offizierslehrgang finde man zuhauf in den Kasernen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort