Theater als Durchspielen der Welt

Saarbrücken. Einfach nur erzählen? Das ist nicht drin bei einem Vollblutschauspieler wie Hans-Georg Körbel. Der wirft sich in Pose, spielt, schlüpft in verschiedene Rollen. Jedes Anekdötchen wird lustvoll zelebriert

 Hans-Georg Körbel, hier in der Garderobe des Saarländischen Staatstheaters, kann auf eine lange und erfolgreiche Bühnen-Karriere zurückblicken. Foto: Oliver Dietze

Hans-Georg Körbel, hier in der Garderobe des Saarländischen Staatstheaters, kann auf eine lange und erfolgreiche Bühnen-Karriere zurückblicken. Foto: Oliver Dietze

Saarbrücken. Einfach nur erzählen? Das ist nicht drin bei einem Vollblutschauspieler wie Hans-Georg Körbel. Der wirft sich in Pose, spielt, schlüpft in verschiedene Rollen. Jedes Anekdötchen wird lustvoll zelebriert. Ist dieses ungebremste Temperamentsbündel derselbe Mann, der eben noch verkündet hat, dass er vollkommen ausgelaugt sei von der Probe und die Schauspielerei ein verdammt anstrengender Beruf, der ganz hübsch an der Gesundheit zehre? Der zudem einen "Nebenjob" als Sprecher hat und sich auf dem Weg zur Arbeit selber ständig im Autoradio hört? Man mag es kaum glauben, dass Körbel am Saarländischen Staatstheater (SST) höchstens noch ein Jahr macht und dann in Rente geht: Weil er nach 40 Jahren im Beruf noch was von der Welt sehen will.Bühnen hat er in seinem Leben schon genug gesehen, Film- und Fernsehstudios ebenfalls. Körbel ist Jahrgang 1948 und entstammt einem musischen Berliner Elternhaus. Ursprünglich war ihm eine Karriere als Violinist vorausbestimmt; schon als Kind fiedelte er bei zahlreichen Auftritten in diversen Ensembles. Seine ersten Theaterrollen weiß er noch genau: Mit fünf hoppelte er als Häschen durchs Märchenspiel, als Sechsjähriger gab er das Rumpelstilzchen. Dabei hat Körbel seinen ersten schulischen Theaterbesuch in traumatischer Erinnerung: "Ein fürchterliches Erlebnis! Ich war ein gestörtes Kind danach.'' Dank eines motivierenden Klassenlehrers hatte er mit 16 ein Abo und hockte wöchentlich drei bis vier Mal in sämtlichen Theatern der Hauptstadt. Schließlich besuchte er die Theaterhochschule Leipzig und fand dort alles schrecklich antiquiert im Vergleich zur hippen Berliner Szene. Als armer Student lag er mit Kommilitonen wie Henry Hübchen und Jaecki Schwarz am Ostsee-Strand und war beim Film bereits sehr gefragt. Einige Angebote wurden von der Schule verboten; andere Chancen hat Körbel sich selbst verbockt, weil er lieber mit seiner Freundin in Ferien fuhr, als die Hauptrolle in Kurt Maetzigs nächstem Film anzunehmen.

Am Staatstheater Dresden hatte er sein erstes Engagement und machte parallel doch noch viel Film und Fernsehen, etwa "Polizeiruf 110". Aber sich in Serien abnutzen und Schlangestehen am roten Teppich? "Nein Danke!", winkt Körbel ab. Dann lieber die Bühne. "Dresden war ein Kampftheater, so hochpolitisch habe ich Theater nie wieder erlebt." Regelmäßig war Körbel auf Westgastspielen, aber aus der DDR abgesetzt hat er sich nicht. Da waren Frau und Sohn, "außerdem konnten wir doch nicht alle wegrennen!" Er sei ja auch Schauspieler geworden aus humanistischer Verantwortung. "Ich sehe Theater durchaus als moralische Anstalt, im Brechtschen Sinne: Denken ist die beste Unterhaltung." Mit 41 verzweifelte er dann doch an den SED-Betonköpfen und reiste im Dezember '89 aus. Der frühere SST-Schauspieldirektor Lothar Trautmann holte ihn ans badische Staatstheater Karlsruhe. Als man dort mit Sparzwängen kämpfte, bewarb sich Körbel erfolgreich ans Würzburger Mainfrankentheater: "Die brauchten einen Mephisto. Hamlet hatte ich schon verpasst, da wollte ich wenigstens den spielen."

Als auch dort der Etat gekürzt wurde, sprach Körbel in Saarbrücken vor und avancierte 2001 in Ray Cooneys Komödie "Außer Kontrolle" auf Anhieb zum Publikumsliebling. Das SST kannte er bereits, hatte er doch schon 1990 mit Kurt Ullmann in der Alten Feuerwache das Zwei-Personen-Stück "Stalin" geprobt. Wegen Ullmanns Tod kam es jedoch nie zur Aufführung.

Als Berliner Nachkriegskind ist Körbel auch vertraut mit dem "Milljöh" in Gerhart Hauptmanns Tragikomödie "Die Ratten". In der Inszenierung von Intendantin Dagmar Schlingmann spielt er den bornierten Theaterdirektor Harro Hassenreuter - ein gefundenes Fressen für einen Mimen, der dafür im eigenen Erfahrungs-Fundus kramen kann. "Ich habe solche Typen auf der Schauspielschule noch erlebt", sagt Körbel. Seine eigene Kunstauffassung ist alles andere als verblasen, sondern konventionell: "Theater ist ein Durchspielen der Welt. Dafür brauche ich keine großartige Bühne und keine technischen Mätzchen, das kann der Film eh viel besser."

Premiere: Sa, 13. Januar,

19.30 Uhr, Alte Feuerwache.

Karten: Tel. (06 81)30 92-486.

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