Der Große auch in kleinen Rollen

Saarbrücken · Über 40 Jahre stand Hans-Georg Körbel auf den Bühnen der verschiedensten Theater. Die letzten zwölf davon auf der des Saarländischen Staatstheaters. In dessen Ensemble avancierte er rasch zum Publikumsliebling. Nun verabschiedet sich der 65-Jährige in den Ruhestand.

 Jetzt nur noch im Liegestuhl rumhängen? Das geht doch nicht, sagt Körbel. Foto: Silvia Buss

Jetzt nur noch im Liegestuhl rumhängen? Das geht doch nicht, sagt Körbel. Foto: Silvia Buss

Foto: Silvia Buss

Diese ständige Abschiednehmen in den vergangenen Wochen. Mal war's die letzte Aufführung in der Alten Feuerwache, mal die letzte in der Alten Schmelz. Hans-Georg Körbel gibt den Amüsierten. Nach über 40 Jahren auf der Bühne, davon über zwölf am Saarländischen Staatstheater, kann es ein Vollblutschauspieler wie er noch gar nicht richtig begreifen, dass er jetzt in den Ruhestand geht.

Dass er zum Ausstand von einem sichtlich begeisterten Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD) seit zehn Jahren als erster SST-Akteur den Ehrentitel "Staatsschauspieler" verliehen bekam, dürfte ihm geschmeichelt haben. Dass das Publikum die Nachricht seines Abschieds an diesem Abend, nach der Dernière von "Das kalte Herz" in der Alten Schmelz, mit einem laut-bedauerndem "Ooooh" aufnahm und sich zum Extra-Applaus von den Sitzen erhob, gefiel ihm bestimmt noch mehr. Und dass Intendantin Dagmar Schlingmann über den 65-Jährigen schwärmt: "Er springt wie ein junger Gott auf die Bühne und bietet an, dass es eine Freude ist, mit ihm zu arbeiten", ging Körbel wahrscheinlich runter wie Öl. Denn zwischen Schlingmann, die mit ihrer jungen Truppe aus Konstanz hier einzog und dem Gestandenen, den sie als einen der wenigen aus der Schildknecht-Ära quasi übernehmen musste, hatte es nicht sofort gefunkt. Doch als er nach drei Schlingmann-Jahren erstmals unter ihrer Regie im "Hamlet" den bösen Claudius spielte, da war das Eis endgültig gebrochen. Und er, der bis zuletzt auch aus kleinen Rollen Großes machte, bekam nun die Größere. Wie etwa die des abgehalfterten Theaterdirektors Hassenreuther - unter Schlingmanns Regie - in "Die Ratten", an die er sich gern erinnert. Da tobte er im Hamlet-Kostüm in Strumpfhosen über die Bühne und nutzte die Chance, noch ein paar Mephisto-Monologe einzubauen. Mephisto - für Körbel war das die Traumrolle, für die er damals eigens vom Badischen Staatstheater Karlsruhe zum Mainfrankentheater in Würzburg gewechselt war und mit der er dort auf Anhieb zum Publikumsliebling wurde. In Karlsruhe wie in Würzburg verbrachte er jeweils sechs "tolle Jahre" mit "tollen Sachen", bevor ihn Spartenschließungs-Debatten ins - vermeintlich - sichere, einzige Saar-Theater trieben.

Schon einmal war er gegangen, weil er weniger in dem Theater als in dem Land keine Perspektive mehr sah: Das war 1989 in Dresden. Dort hatte der gebürtige Ost-Berliner nach der Schauspielschule in Leipzig über 20 Jahre gespielt. "Das Theater war ja immer noch eine Insel, ein Lichtblick, wir hatten Verantwortung, wollten die Leute wachrütteln, weh tun und taten das aus", sagt Körbel. Wenn es dort in einer Shakespeare-Komödie hieß "Oh Wand, leih mir dein Loch", schmunzelt Körbel, wusste das Publikum sofort, was gemeint war und johlte - und die Stasi-Leute verließen sofort den Saal mit schlagenden Türen.

Auch heute habe das Theater ein Anliegen, nur spüre man oft nicht, ob es ankommt. Das Berlinern hat Körbel über die Jahrzehnte nicht verlernt, zurück zieht es ihn jetzt aber nicht. Mit seiner Frau, einer Maskenbildnerin, bleibt er hier. Weil sich das Ehepaar in Saarbrücken wohlfühlt, Freunde gefunden hat. Aber auch weil er hier neben Sprecher-Jobs für Arte- und 3Sat-Dokus weiter Theater spielen wird. Das gehe doch nicht, dass er als Staatsschauspieler jetzt bloß noch im Garten rumsitze, meint Körbel. Und wischt sich kopfschüttelnd die Spuren von Blütenpollen vom Arm.

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