Trommelfeuer: Kinder werfen Steine auf Auto - Betreiber von Kita muss zahlen

Koblenz · Wie viel Aufsicht und Kontrolle muss bei einer Kindertagesstätte vorhanden sein? Antwort der Justiz: Es kommt auf den Einzelfall, auf das Gelände, die Zahl der Kinder, das vorhandene Risiko und mehr an.

Koblenz. Die Stadt Bitburg muss dem Inhaber einer örtlichen Firma Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Autos durch Kindergartenkinder zahlen. Das hat das Oberlandesgericht Koblenz entschieden (Az.: 1 U 1086/11). Begründung: Die Erzieherinnen der betreffenden Kita hätten in dem speziellen Einzelfall ihre Aufsichtspflicht verletzt.
Der Fall: Im Juni 2010 stellte der Kläger sein Fahrzeug am Rande des Außenbereichs einer Kindertagesstätte ab und ging in in das anliegende Gebäude. Auf dem Freigelände der Kita hielt sich unterdessen eine Gruppe von acht Kindern auf, die von einer Erzieherin betreut wurden. Drei Kinder verließen die Gruppe und begaben sich in Richtung des Außenzaunes, der zur unmittelbar angrenzenden Parkfläche durchlässig ist. Sie nahmen Steine in die Hand und warfen diese gegen das parkende Auto des Klägers. Es handelte sich um so viele Steine, dass insgesamt 21 Dellen im Fahrzeug festgestellt wurden.

Der Vorsitzende des 1. Zivilsenats betonte dazu in der mündlichen Urteilsbegründung, eine permanenten und lückenlose Überwachung der Kinder "auf Schritt und Tritt" sei in einer Kita nicht zu gewährleisten und auch nicht geboten. Für die Frage der Aufsichtspflichtverletzung müssten immer die Besonderheiten des einzelnen Falles in den Blick genommen werden, wie etwa die Eigenheiten der jeweiligen Kinder, die örtlichen Gegebenheiten und die Aufsichtssituation. Die Beschaffenheit des Freigeländes in Bitburg (lockere große Kieselsteine, durchlässiger Zaun zur unmittelbar angrenzenden Parkfläche) habe in diesem speziellen Fall ein konkretes Gefahrenpotenzial für fremdes Eigentum entstehen lassen. Wenn sich dann drei spielende Kinder aus einer Gruppe eigenmächtig in Richtung Zaun entfernten, dürften diese nicht - wie hier - länger andauernd unbeobachtet bleiben. Ein Zeuge hatte zudem angegeben, die Steine seien "wie bei einem Maschinengewehr" auf das Auto geprallt. Die Erzieherinnen auf dem Außengelände hingegen hatten bekundet, nichts von alledem mitbekommen zu haben. In der Gesamtschau all dieser Umstände sah der Senat eine Verletzung der Aufsichtspflicht und verurteilte die Stadt zum Ersatz des Schadens.

Außerdem verwiesen die Richter ausdrücklich darauf, dass ihrer Ansicht nach in einem solchen Fall der Amtshaftung grundsätzlich die Kommune beweisen müsse, dass die Erzieherinnen ihre Aufsichtspflicht erfüllt haben. Diese rechtliche Frage ist in der deutschen Rechtsprechung umstritten. Andere Obergerichte sehen den Geschädigten in der Pflicht, auch die Verletzung der Aufsichtspflicht beweisen zu müssen. Der Senat hat wegen dieser Rechtsfrage die Revision gegen das Urteil zugelassen. Die Stadt Bitburg kann daher entscheiden, ob sie die Sache vor dem Bundesgerichtshof überprüfen lassen will. red/wi

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