Serie Lebenswege Eigentlich trug er immer die Schaffhos’

Kleinblittersdorf-Bliesransbach · Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Berthold Ammer.

 Es ist wahrscheinlich das letzte Foto des Verstorbenen, es entstand Ende 2018/Anfang 2019, acht Monate vor Berthold Ammers Tod.

Es ist wahrscheinlich das letzte Foto des Verstorbenen, es entstand Ende 2018/Anfang 2019, acht Monate vor Berthold Ammers Tod.

Foto: Familie Ammer/Familienalbum

„Mein Vater war ein freundlicher Mensch, hatte immer ein Lächeln im Gesicht“, sagt Franz-Josef Ammer über seinen Vater Berthold, der am 16. Mai 1936 als zweites Kind von Johann und Lina Ammer, geborene Kessler, zur Welt gekommen war. Berthold hatte noch eine fünf Jahre ältere Schwester, Krimhilde. Noch bevor er in die Schule kam, verlor er seine geliebte Mutter, die an einer allergischen Reaktion nach einem Insektenstich verstarb.

1948 heiratete Vater Johann erneut. Bertholds Stiefmutter Elfriede Wachall brachte die Kinder Edgar und Sieglinde mit in die Ehe, der noch vier weitere Kinder – Anni, Monika, Christine und Günther – entsprangen. Doch um die eigentliche Erziehung des jungen Berthold hatten sich seit dem Tod der leiblichen Mutter deren Geschwister Adelheid und Josef gekümmert.

Nach der Volksschule absolvierte Berthold Ammer eine Lehre als Starkstromelektriker auf der Halberger Hütte, wo er bis 1959 arbeitete. Von klein auf war er sportbegeistert, spielte Fußball beim SC Bliesransbach, Tischtennis beim TuS Bliesransbach und turnte beim TuS. Übers Turnen hatte er seine spätere Ehefrau Inge Klein aus Brebach-Fechingen kennengelernt, die er am 1. Oktober 1959 heiratete. 1960 kam der erste Sohn, Franz-Josef, zur Welt. Er bekam zwei Brüder: Jürgen (1962) und Berthold junior (1964). Jürgen erlitt 1992 einen tödlichen Arbeitsunfall. 1964 hatte sich die Familie im Hohlweg in Bliesransbach ein Haus gebaut. „Wie damals üblich mit sehr viel Eigenleistung und Hilfe der Kameraden. Man half sich gegenseitig, ohne große Worte zu verlieren“, erinnert sich Franz-Josef Ammer.

Vater Berthold war in seinem Beruf eine gefragte Kapazität. Und so wunderte es nicht, als ihn ein „Headhunter“ abwarb und zur VSE, dem damaligen Stromversorger im Bezirk Brebach, lockte. Berthold Ammer liebte seine Arbeit, obwohl sie manchmal sehr schwer war. „Aber es gab auch erfreulichere Dinge, wie zum Beispiel Fahrgeschäfte auf der Kirmes anschließen. Da gab es immer Freikarten, mit denen mein Vater seine Kinder versorgte. Die ganze Familie fuhr dann zu den Kirmessen im Umkreis und genoss die Autoscooter, die Berg- und Talbahnen oder auch das Kettenkarussell“, erzählt Franz-Josef Ammer. Oder wenn sein Vater bei den Gewerbekunden im Versorgungsgebiet die Stromzähler ablesen musste: „Während den Schulferien durfte immer eines der Kinder mitfahren. Es gab dann einen Riesenwurstweck in Hanweiler in einem Lebensmittelgeschäft und Limo in der Sprudelfabrik Rilchingen-Hanweiler. Das war damals schon was!“, sagt Franz-Josef Ammer.

Nach fast 45 Jahren verabschiedete sich sein Vater in den Ruhestand. Dies bedeutete nicht, dass er die Hände in den Schoß legte. „Sein Rat und seine Hilfe waren weiterhin gefragt. Ob bei seinen Söhnen, Geschwistern, Verwandten oder Freunden. Nach wie vor gab es immer etwas zu tun. Und wenn im Dorf jemand Probleme mit der Elektrik hatte, hieß es, geh doch mal zum Berthold“, erzählt Franz-Josef Ammer. Die „Markenzeichen“ seines Vaters waren: blaue „Schaffhos’“ und Kappe. Er hatte stets einen Schraubenzieher, ein Taschenmesser und einen „Meter“ dabei, wie man im Saarland den Zollstock nennt. „Mit Taschenmesser und Schraubenzieher konnte man sich oft schnell helfen, der Meter war unendlich wichtig, denn mein Vater war ein genauer Mann, es musste alles vorher gemessen werden, damit es auch ja passt“, sagt Franz-Josef Ammer.

Berthold Ammer war ein Familienmensch, liebte auch sein Haus, seinen Garten und seine Obstbäume auf der „Deiwiese“ hinter dem Sportplatz. Aus den Früchten ließ er Schnäpse brennen – begehrte Geschenke. Seine sportlich größte Leidenschaft war der SC Bliesransbach. Hier war er ein sehr guter Verteidiger, spielte Fußball bis zur AH, und als Berthold junior in die Fußstapfen des Vaters trat, kümmerte sich Berthold senior als Betreuer und Fahrer um die Nachwuchskicker.

1997 kam Enkel Christian – Sohn von Franz-Josef und Corinne Ammer – zur Welt. Ihn liebte er abgöttisch. Wann immer möglich, nahm er den Kleinen zu sich und zeigte ihm „Opas Welt“. Es gab gemeinsame Urlaube mit Kindern und Enkel Christian, aber nur der Enkel brachte es fertig, dass Opa Berthold seine Flugangst überwand und nach Mallorca mitkam. „Durch die enkeltechnische Beratung wurde Opa Berthold Nutzer eines Handys und eines Navigationsgerätes und wurde ein moderner Senior“, erzählt Franz-Josef Ammer.

Im Alter hatte Berthold Ammer mehrere Operationen, die er alle gut überstand. Nur eine Hüft-OP im März 2019 hatte dramatische Folgen. Aufgrund einer Sepsis folgte eine viermonatige Krankenhaus-Odyssee mit Nierenversagen, Darm-OP, mehrmaliger künstlicher Beatmung und Aufenthalten auf der Intensivstation der Uni-Klinik Homburg. „Ich möchte gerne ein Danke an alle richten, die auf der Intensivstation über vier Monate lang meinen Vater behandelt und gepflegt haben“, sagt Franz-Josef Ammer. Nach einem kurzen Heimaufenthalt schöpfte seine Familie Hoffnung, doch Berthold Ammer musste Anfang August erneut in die Klinik, wo er am 11. August 2019 im Beisein seines Sohnes Franz-Josef und seines Enkels Christian starb. Am 22. August 2019 wurde Berthold Ammer unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beerdigt.

Auf der Seite „Momente“ stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-­zeitung.de/lebenswege

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