Serie Lebenswege Helmut Lange hatte seinen eigenen Kopf

Walpershofen · Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Helmut Lange.

 Mit Sinn für Humor: Helmut Lange 1997 bei seiner Verabschiedung aus dem Schuldienst

Mit Sinn für Humor: Helmut Lange 1997 bei seiner Verabschiedung aus dem Schuldienst

Foto: Familie Lange, Fotograf unbekannt

Helmut Lange war Lehrer, Sportler, Historiker, Autor, Heimatforscher und Vereinsmensch. Helga Nilius und Pascal Altmayer – zwei langjährige Wegbegleiter – schilderten uns seinen Lebensweg. „Helmut hat mir viel aus seiner bewegten Kindheit erzählt, von schönen und weniger schönen Erlebnissen, von der Geborgenheit und Liebe in der Familie, von Hunger, Evakuierung, Hamsterfahrten und katastrophalen Schulverhältnissen“, sagt Helga Nilius, die gemeinsam mit Helmut Lange dessen Biographie geschrieben und 2018 im Jahrbuch Walpershofen veröffentlicht hat.

Helmut Lange kam am 5. Januar 1934 im Köllerbacher Ortsteil Sellerbach als zweites Kind von Friedrich und Selma Lange, geborene Schmidt, zur Welt. Er wuchs mit seinem Schwestern Trude (1932 geboren) und Elke (1942) sowie seinem Bruder Gisbert (1938) in einem Mehrfamilienhaus auf, in dem Großmutter Luise Schmidt der Haushaltsvorstand war. Von 1940 bis 1944 besuchte er die Sellerbacher Volksschule und wollte am 1. September 1944 nach bestandener Aufnahmeprüfung auf das Realgymnasium Völklingen wechseln. Das Kriegs- und Nachkriegsgeschehen verhinderte dies. Weil das Schulhaus von Flakhelfern belegt war, wurde der junge Helmut ersatzweise in die Hauptschule Püttlingen überstellt und Ende 1944 sowie Anfang 1945 während der Evakuierungszeit in einer Dorfschule im Thüringischen Schierschwende unterrichtet. Es folgten weitere drei Jahre mit improvisiertem Schulunterricht, ehe Helmut 1948 auf das Lehrerseminar nach Ottweiler ging.

Die Nachkriegszeit war für alle Menschen sehr hart, die Lebensmittel waren knapp. Mit Hamsterfahrten sowie der Haltung von Schafen und Hühnern, dem Anbau von Gemüse, Kartoffeln und Obst, dem Sammeln von Ähren, Beeren und Bucheckern, Ölpressen und „Sießschmeerkochen“ überstand die Familie Lange die schlimmste Not. 1954 machte Helmut Lange Abitur, begann 1956 sein Berufsleben als Junglehrer an der evangelischen Volksschule auf der Bouser Höhe (heute Röchling-Höhe), unterrichtete später an der Völklinger Mühlgewannschule und der Flüchtlingsschule Lebach und war von 1960 bis zu seiner Pensionierung 1997 Lehrer, dann Grundschulrektor, in Walpershofen.

„Helmut brachte zwei Generationen Grundschülern Rechnen, Schreiben, Lesen und vor allem Geräteturnen bei. Kinder, die Handstand machten, Rad schlagen oder über den Bock springen konnten, hatten bei ihm einen Stein im Brett. Der TV Walpershofen bekam zu jener Zeit großen Mitgliederzuwachs“, erzählt Helga Nilius.

 Helmut Lange im Jahr 2019

Helmut Lange im Jahr 2019

Foto: Pascal Altmayer

1959 heiratete Helmut Lange Ortrud Klein aus Walpershofen und bekam mit ihr zwei Söhne, Martin und Ulrich. „Obwohl ihm sein Vater in einer ‚Aufklärungsstunde‘ gesagt hatte, ‚Bring mir awwa nur kenns aus Walwaschhowe‘. Aber Helmut hatte schon immer seinen eigenen Kopf“, sagt Helga Nilius.

Helmut Lange war ein begeisterter Turner beim TV Köllerbach, war dort zudem Übungsleiter für Handball und Kinderturnen und engagierte sich seit 1963 im TV Walpershofen. Zunächst als Übungsleiter und Oberturnwart, dann von 1984 bis 1994 als Vorsitzender. Mehrfach wurde er für seine Verdienste ausgezeichnet. So ernannte ihn der TV Köllerbach 2004 zum Ehrenmitglied und der TV Walpershofen 1995 zum Ehrenvorstandsmitglied. Außerdem wurde ihm 2011 vom Saarländischen Turnerbund die Guts-Muths-Medaille verliehen. Im Turngau Saarbrücken gehörte Helmut Lange 22 Jahre dem Vorstand an.

Pascal Altmayer erzählt, dass Helmut Lange auch ein begeisterter Wanderer war, viele Flurwanderungen im Köllertal anbot und selbst große Touren unternahm. „Einmal wanderte er von Walpershofen nach Mainz und hielt seine Erlebnisse in einer Art Tagebuch fest. Wer das liest, hat das Gefühl mitgewandert zu sein“, sagt Altmayer. Als Autor war Helmut Lange maßgeblich am Walpershofer Festbuch zur 700-Jahrfeier beteiligt (1993), gestaltete federführend die 100-Jahr-Chronik des TV Walpershofen mit (1998) und war Herausgeber des Buches „300 Jahre Schule Walpershofen“ (2003). 2004 gründete er den Verein Jahrbuch Walpershofen und schrieb unzählige Artikel für dieses jährlich erscheinende Werk.

Pascal Altmayer erzählt: „Helmuts Lieblingszitat lautete ‚Wer schreibt, der bleibt‘. Es klingelt mir immer noch in den Ohren, als er das Zitat das erste Mal erwähnte. Es passt zu ihm, und das Motto des Walpershofer Jahrbuchs lautet genauso und wurde auf dem Vereinsstempel und Logo verewigt.“ Lange war bis 2014 Vorsitzender des Vereins und wurde 2018 zum Ehrenmitglied ernannt. „Jeder, der mit Helmut zu tun hatte, profitierte von seinem Wissen, seinen Erfahrungen, seinen Ideen“, betont Helga Nilius.

Nach dem Tode seiner kranken Frau Ortrud 2015, die er jahrelang betreut und versorgt hatte, wurde es ruhig um Helmut Lange. Zurückgezogen lebte er bis zuletzt mit seinem Sohn Martin im eigenen Haus in der Herchenbacher Straße 26. Am 16. Oktober dieses Jahres verstarb er im gesegneten Alter von 86 Jahren und wurde aufgrund der Coronabeschränkungen im kleinsten Familienkreis im Friedwald Saarbrücken beerdigt.

Auf der Seite „Momente“ stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-­zeitung.de/lebenswege

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