Serie Lebenswege Trudel verlor sehr viel, aber nie ihr Lachen

Bildstock · Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Berta Gertrude Stuppy, geborene Reichert.

 Hier zeigt Berta Gertrude Stuppy ihr strahlendes Lachen: 2009 an ihrem 85. Geburtstag. Trotz harter Schicksalsschläge hat sie sich die Fröhlichkeit bewahrt.

Hier zeigt Berta Gertrude Stuppy ihr strahlendes Lachen: 2009 an ihrem 85. Geburtstag. Trotz harter Schicksalsschläge hat sie sich die Fröhlichkeit bewahrt.

Foto: Familie Stuppy/Familienalbum Stuppy

„Eine starke Frau“ – so wird sie kurz beschrieben. Die Rede ist von Berta Gertrude Stuppy, geborene Reichert. In Bildstock kannte man sie besser unter ihrem Kosenamen Trudel. Eine Frau mit einem starken Charakter war sie zweifellos, das lassen schon die ausdrucksvollen Fotos von ihr erkennen. Trudel Stuppy hat schwere Zeiten erlebt, brenzlige Situationen etwa bei Bombenangriffen und nicht wenige Schicksalsschläge hinnehmen müssen. „Sie gehörte zu der Generation, die im wahrsten Sinne des Wortes um ihre Jugend betrogen wurde“, sagt Gertrud Stuppy, die Schwiegertochter, die zur Vorstellung der Verstorbenen ganz liebevoll eine Biografie zusammengestellt hat.

Zehn Jahre ist Trudel nun schon tot. Geboren wurde sie 1924 als zweites Kind des Bergmannes Theodor Reichert und seiner Ehefrau Berta Cornelius. Im Elternhaus in der Illinger Straße wuchs Trudel mit dem älteren Bruder Bernhard auf, erlebte die Inflation, das Hitler-Regime, den Zweiten Weltkrieg. Die Familie bewohnte ein eigenes Haus – eine Immobilie, die von Siedlungsgemeinschaften (alle vom gleichen Typ) mit Eigenleistung der Bewerber errichtet wurde. Nach Fertigstellung hat man die Rohbauten verlost.

 Ihren Ehemann Karl verlor Berta Gertrude Stuppy, hier ihr Hochzeitsfoto von 1944, bereits sehr früh, nämlich im Jahr 1980.

Ihren Ehemann Karl verlor Berta Gertrude Stuppy, hier ihr Hochzeitsfoto von 1944, bereits sehr früh, nämlich im Jahr 1980.

Foto: Familie Stuppy/Familienalbum Stuppy

Das aufgeweckt-fröhliche Mädchen besuchte die Volksschule Bildstock. Nach kurzer Lehrzeit als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft in Saarbrücken wechselte die junge Frau kriegsbedingt zur Genossenschaft, genannt „Konsum“, in eine Filiale nach Bildstock und schloss mit dem Kaufmannsgehilfenbrief ab. Bis zur Eheschließung im Mai 1944 arbeitete sie im selben Geschäft. Ihren späteren Ehemann lernte Trudel 1942 im damaligen Lazarett Sulzbach kennen, wo ihr Vater nach einem Unfall unter Tage ärztlich versorgt wurde. Gleichzeitig wurde Karl Stuppy als verwundeter Soldat des Russlandfeldzuges dort behandelt.

Kaum genesen, musste Karl wieder zum Einsatz: über Tübingen und Donaueschingen in die Kaserne nach Andreashütte in Oberschlesien. Es wurden viele Feldpostbriefe geschrieben, die von einer liebevollen Beziehung zeugten, die zeitlebens bestand. Es folgte ein ereignisreiches, schönes, aber nie einfaches Familienleben. Zwei Söhne kamen zur Welt: Günter 1945 (noch in Zeiten von Fliegeralarm), Horst 1946. Das Elternhaus wurde erweitert, Sparsamkeit war angesagt. Gut, dass ein großer Garten mit Obstbäumen zu den Siedlungshäusern gehörte, ebenso Kleinvieh. 1960 wurde Nachkömmling Werner geboren. Der älteste Sohn begann eine Lehre. Dann erblindete Trudels Mutter. Die Betreuung der eigenen Eltern bis zu deren Tod stellte sie vor besondere Herausforderungen. Unterstützung hatte sie in ihrem Ehemann Karl. Neben seiner Frühschicht auf der Grube arbeitete er im Garten und half im Haushalt.

Inzwischen waren Günter und Horst verheiratet (mit eigenem Hausstand), und es gab wieder die kleine Familie. In der sorgten sehr zur Freude der Großeltern zwei Enkelinnen für reichlich Abwechslung. Trotz Vorruhestand machte Karl eine Silikose (Staublunge) zunehmend zu schaffen. Anfang 1980, mit nur 58 Jahren, starb er. Für Trudel war das eine sehr schwere Zeit, in der sie durch ihren Glauben Halt fand. Auch ein männlicher Enkel (der Nachwuchs von Sohn Werner) brachte Ablenkung.

Nach und nach kehrte Trudels Fröhlichkeit zurück. Sie sang sehr gerne und suchte, auch außer Haus, die Geselligkeit. Mit ihren beiden Enkelinnen (später auch mit ihrem Enkel), die ihre Oma „Trude“ nannten, unternahm sie Fahrten unter anderem nach Österreich, Jugoslawien und England. Nach Kanada – Verwandtenbesuch – flog sie mit Cousine Ursel. Ein Einkaufsbummel in Saarbrücken hieß „Heid gehn isch mol scheese!“.

Trudel blieb von weiteren Schicksalsschlägen nicht verschont. Im Dezember 2008 starb Sohn Günter, der seine Mutter seit dem Tod seines Vaters fast täglich besucht hatte, und kurz darauf Werner, der Jüngste. Beide wurden am selben Tag beigesetzt. Trotzdem ließ sie sich nicht unterkriegen. Sie kochte sich noch jeden Tag selbst und versorgte auch sonst ihren Haushalt. Sie nutzte draußen den Rollator, machte täglich den Weg in den Ort zum Sproochen oder zum Friedhof. Kirche war am Wochenende.

Sohn Horst holte sie des Öfteren mit seiner Frau zu verschiedenen Unternehmungen ab. Sonst kümmerte sich Schwiegertochter Gertrud um sie. Ihren 85.Geburtstag  feierte Trudel fröhlich wie immer im Kreis der Familie. Diese bestand außer aus den Dreien inzwischen auch aus erwachsenen Enkeln und  vier Urenkelkindern. „Mit den Kleinsten befasste sich meine Schwiegermutter besonders gerne, wenn sie bei ihr waren oder sie bei ihnen. Sie spielte mit ihnen und versuchte ihnen Lieder aus der eigenen Kindheit beizubringen, indem sie vorsang“, beschreibt die Schwiegertochter in der verfassten Biographie.

Am 10. März 2011 starb Trudel ganz plötzlich. Somit hatte sich ihr Wunsch – „Ich will niemandem zur Last fallen“ – erfüllt. Am Tage ihres 87. wurde sie beerdigt.

Auf der Seite „Momente“ stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-­zeitung.de/lebenswege

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