Serie Lebenswege Er war „eine Tankstelle für gute Laune“

Saarbrücken · Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Eduard-Peter Hans.

  Ein Foto von 1969: SR-Moderator Martin Arnold (Mitte) hatte eine Wette verloren, Dieter Thomas Heck (links) rasierte ihm deswegen eine Glatze, und Eddy Hans (rechts) fertigte Arnold eine Perücke an. 40 000 DM brachte diese Aktion damals für SOS-Kinderdörfer ein.

Ein Foto von 1969: SR-Moderator Martin Arnold (Mitte) hatte eine Wette verloren, Dieter Thomas Heck (links) rasierte ihm deswegen eine Glatze, und Eddy Hans (rechts) fertigte Arnold eine Perücke an. 40 000 DM brachte diese Aktion damals für SOS-Kinderdörfer ein.

Foto: Daniela Lorenz/unbekannt / Familienalbum Hans/Lorenz

„Mein Papa war eine Tankstelle für gute Laune“, sagt Daniela Lorenz über ihren Vater Eduard-Peter Hans, von allen nur Eddy genannt, und gemeinsam mit Zwillingsbruder Seppel am 30. Juni 1941 in Noswendel zur Welt gekommen. Seine Eltern waren Johann und Barbara Hans, geborene Christian. Eddy hatte noch einen älteren Bruder, Guido, der mittlerweile verstorben ist, und einen jüngeren Bruder, Martin.

Nach dem Abschluss der Volksschule in Wadrill interessierte sich Eddy für das Friseurhandwerk. Er absolvierte bei Friseur Schmidt in Wadern eine Lehre, machte 1963 in Düsseldorf seine Meisterprüfung und arbeitete in einem Salon in Köln. Eddy kam beruflich viel herum, leistete von 1965 bis 1967 Wehrdienst bei der Luftwaffe, ehe er sich am 17. April 1970 selbstständig machte und in Völklingen das Haarhaus Ulrich übernahm, dessen Namen er in „Haarhaus Hansed“ änderte. „Hansed war eine Kombination seines Nachnamens mit den ersten beiden Buchstaben seines Vornamens, es ist bis heute ein Markenzeichen geblieben“, erklärt Daniela Lorenz. Mitte der 80er-Jahre zog das Haarhaus Hansed von Völklingen in die Saarbrücker Cecilienstraße um und erwarb sich schnell einen guten Namen. „Weil mein Vater nicht nur fachlich sehr kompetent, sondern auch eine Frohnatur war. Jeder hatte ihn gern“, schildert Daniela Lorenz.

Das Haarhaus Hansed spezialisierte sich auf Zweithaaranfertigungen. Eddy Hans war Hersteller und Lieferant von Toupets und Perücken und verhalf seinem Haus zu weltweiter Bekanntheit. „Aber das war nicht nur einfach ein Beruf für ihn, das war sein Leben, sein Ein und Alles. Mein Vater wollte Menschen helfen, die ihre Haare krankheitsbedingt durch Chemotherapie verloren hatten“, betont Tochter Daniela Lorenz. Auf Urlaub konnte ihr Vater gut verzichten. „Papa wollte zuerst mal jemand sein und sich was aufbauen, erst dann wollte er sich eine Frau suchen. Und er hat auf die Richtige gewartet“, erinnert sich die Tochter.

Eddy Hans fand die Richtige mit Regina Gorges, die er am 8. Mai 1976 heiratete. Am 8. Februar 1980 war das Familienglück perfekt, als Tochter Daniela zur Welt kam. Doch 1988 traf die Familie ein schwerer Schicksalsschlag: Mutter Regina  starb an Krebs, und Vater Eddy musste die Tochter alleine aufziehen. Dies tat er mit sehr viel Liebe und Fürsorge. Als Enkelkind Noah am 9. Februar 2006 geboren wurde, war Eddy Hans stolzer und glücklicher Opa. Doch er war nicht nur ein guter Vater und Opa sowie leidenschaftlicher Friseur, sondern auch begeisterter Sportler. „Als Mama starb, entschied sich mein Papa Extremsportler zu werden, das half ihm den Verlust zu verarbeiten“, sagt Daniela Lorenz. Eddy Hans widmete sich dem Laufsport. Zunächst beim TV Lebach, dann bei den LTF Marpingen. „Papa war der erste 24-Stunden-Läufer im Saarland“, erzählt seine Tochter. Eddys Bestleistung erstaunt noch heute: Er lief innerhalb der 24-Stunden-Frist genau 185 Kilometer am Stück! Außerdem war er Betreuer der deutschen Nationalmannschaft im 100-Kilometer-Lauf. Er rieb Salben in wacklige Oberschenkel, verband wunde Zehen, kochte Tee, besorgte Kopflampen gegen die Dunkelheit, schnippelte Jacken aus Mülltüten und fand für jeden den richtigen Ton – zwischen harter Anfeuerung und mildem Trost.

 Eine der letzten Aufnahmen von Eddy Hans

Eine der letzten Aufnahmen von Eddy Hans

Foto: Daniela Lorenz

„Papa hatte einen starken Willen, sich durchzubeißen. Das half ihm, alles zu bewältigen. Das Alleinerziehen, das Geschäft, sein Haus in Falscheid und seinen Sport“, sagt Daniela Lorenz. Durch Zwillingsbruder Seppel kam Eddy Hans mit viel Prominenz zusammen, etwa mit Eiskönigin Katharina Witt, Fußball-Star Michael Ballack oder den TV-Moderatoren Johannes B. Kerner und Ulli Potofski. Eddy und Seppel Hans waren 1998 Ehrengäste bei der WM-Gala des ZDF und Gast bei RTL, wo sie farbenprächtige Sportwimpel präsentierten, entworfen von Seppel Hans, gelernter Schneider und später Justizvollzugsbeamter. Eddy Hans machte im Laufsport auch durch sein Outfit aufmerksam: Er trug stets zwei verschiedenfarbige Laufschuhe. Darüber berichtete die SZ, das ZDF würdigte 2014 das Lebenswerk von Eddy Hans als Friseurmeister und Sportler in der Sendung „Drehscheibe“. Eddy Hans galt als großzügiger Sponsor bei seinen Sportvereinen und im Karneval. 1970 wurde er zum „Prinzen von Saarbrücken“ gekürt und in den 90ern von der Narrengilde der Nassauer zum Chevalier ernannt.

Ab 2003 musste Eddy Hans sportlich kürzertreten. Ein Arterienverschluss – die „Schaufensterkrankheit“ – machte ihm Langlauf unmöglich. 2020 musste er zehnmal ins Krankenhaus. Es wurden Stents gesetzt, eine neue Herzklappe und mehrere Bypässe gelegt. „Seit September 2020 konnte er deshalb nicht mehr im Geschäft arbeiten. Das war für ihn sehr hart“, berichtet Daniela Lorenz. Ein letztes Mal feierte die Familie Weihnachten miteinander, ehe Eddy Hans am 4. Februar dieses Jahres in die Notaufnahme der Saarlouiser Elisabethenklinik eingeliefert und erneut operiert werden musste. Die OP am 8. Februar verlief gut. „Papa rief mich an und gratulierte mir zu meinem Geburtstag, und er gratulierte schon mal Noah vor, der einen Tag später Geburtstag hat“, erzählt Daniela Lorenz. Eine Vorahnung? Wenige Stunden nach dem Telefonat starb Eddy Hans am Geburtstag seiner Tochter. Die ist sich sicher: „Papa hat das geahnt, aber er wollte es unbedingt bis zu meinem Geburtstag schaffen.“ Am 19. Februar wurde er im Ruheforst Britten bestattet. „Ich wollte, dass er in seiner Heimat im Hochwald begraben wird, und ich wollte eine Baumbestattung, weil Papa so gerne im Wald war“, sagt Daniela Lorenz mit Tränen in den Augen. Und sie will ihrem Vater einen großen Wunsch erfüllen: „Papa wollte immer, dass ich sein Geschäft in seinem Sinne weiterführe. Ich bin seit 2004 dort als Friseurmeisterin tätig, und ich werde das Haarhaus Hansed auch weiter betreiben. Und wenn wir am 17. April unser 51-jähriges Bestehen feiern, werden wir alle an den Gründer dieses Hauses denken und uns dankbar an ihn erinnern“, verspricht Daniela Lorenz.

Auf der Seite „Momente“ stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-­zeitung.de/lebenswege

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