Interview mit Heike Makatsch „Man legt mit Mut einfach mal los“

Saarbrücken · Die Schauspielerin, die zum Ophüls-Festival kommt, über ihre Karriere, die Vorteile des „Nein“-Sagens und darüber, wie man einen Zombie spielt.

 Heike Makatsch kommt am Donnerstag nach Saarbrücken.

Heike Makatsch kommt am Donnerstag nach Saarbrücken.

Foto: Stefan Klüter

Heike Makatsch kommt als „Tribute-Gast“ zum Ophüls-Festival. Vier Filme werden gezeigt, bei dreien davon ist sie beim Publikumsgespräch dabei – von ihrem Kinobebüt „Männerpension“ von 1996 bis zu ihrem jüngsten Kinofilm, „Ich war noch niemals in New York“. Makatsch, 1971 in Düsseldorf geboren, war in den frühen 1990ern die bekannteste Moderatorin des Musiksenders Viva, bevor sie sich der Schauspielerei zuwandte. Seitdem hat sie Kinofilme gedreht wie „Aimee und Jaguar“, „Keine Lieder über Liebe“ und „Das schönste Mädchen der Welt“, zudem TV-Produktionen wie „Die Heimkehr“, „Tatort“ und „Margarethe Steiff“.

Frau Makatsch, 2007 lief beim Ophüls-Festival der Film „Schwesterherz“, in dem Sie spielen und den Sie auch geschrieben haben – waren Sie da beim Festival?

MAKATSCH Nein, ich war damals bei den Hofer Filmtagen, wo er ebenfalls gelaufen ist. Warum ich damals nicht in Saarbrücken war, weiß ich gar nicht mehr. Wir hätten „Schwesterherz“ jetzt gerne auch in Saarbrücken gezeigt, aber aus technischen Gründen hat das nicht geklappt. Jetzt zeigen wir „Fremde Tochter“, den ich ebenso gut finde – und der lief noch nicht in Saarbrücken.

Beim Ophüls-Festival waren Sie bisher gar nicht?

MAKATSCH Bisher nicht. Es ist natürlich ein prestigeträchtiges Festival, aber irgendwie habe ich es nie geschafft, da hinzufahren. Umso mehr freue ich mich, dass ich mir das jetzt mal angucken kann.

Wenn man eine Retrospektive bei einem Festival bekommt – ist man da selbst überrascht, wieviel man schon gemacht hat?

MAKATSCH Überrascht nicht, ich freue mich einfach. Ich sehe das ja auch nicht als Preis für das Lebenswerk an, da kommt ja noch ein bisschen was von mir, hoffe ich. Ich arbeite jetzt schon sehr lange in dem Beruf, da sind viele Filme und viele Lebensstationen zusammengekommen, das macht mich schon stolz.

Haben Sie zu Hause DVDs der eigenen Filme im Regal?

MAKATSCH Nein. Und die Filme, die jetzt bei Ophüls laufen, habe ich auch schon lange nicht mehr gesehen. Von „Männerpension“ höchstens neulich einen kleinen Ausschnitt, so dass ich noch weiß, wie der Film sich anfühlt. Aber komplett habe ich den schon seit 20 Jahren nicht mehr gesehen, „Hilde“ auch nicht, seit der damals rausgekommen ist, 2009.

Ergibt sich das nicht? Oder schauen Sie sich die Filme bewusst nicht mehr an?

MAKATSCH Es drängt sich nicht auf. Ich habe da kein großes Bedürfnis, vielleicht auch, weil einen das doch aufwühlen kann. Man muss sich nochmal mit den Erinnerungen an den Film beschäftigen, man entdeckt vielleicht, dass er für einen selbst gar nicht mehr so gut funktioniert, wie man das im Gedächtnis hatte. Man kann auch positiv überrascht werden, aber man muss sich in jedem Fall auseinandersetzen mit einem Bild, das man selbst von sich gemacht hat, und mit dem, was in einem selbst jetzt Vergangenheit ist. Das macht man nicht so im Vorbeigehen.

Welcher der vier gezeigten Filme steht Ihnen am nächsten?

MAKATSCH Zurzeit mein jüngster, „Ich war noch niemals in New York“. Er ist für mich wirklich ein Kunstwerk, in seiner Visualität, im Drehbuch, im Timing – und das im Genre Musical, das in Deutschland gar nicht so oft beackert wird. Ich hätte mir gewünscht, dass der Film noch mehr Menschen ins Kino gelockt und dadurch so begeistert hätte wie mich – umso mehr freue ich mich, dass ihm in Saarbrücken nochmal eine Ehre zuteil wird.

Ihre Karriere ist nicht klassisch-geradlinig verlaufen – Sie haben studiert, eine Schneiderlehre gemacht, bei Viva moderiert, eine Show bei RTL2 gehabt – erst danach kam die Schauspielerei. Hatten Sie so etwas wie einen Karriereplan?

MAKATSCH In einem künstlerischen Beruf, der die Schauspielerei ja ist, auch wenn man in gewissem Sinn ebenso Dienstleister ist, gibt es ja selten einen ganz geradlinigen Werdegang. Ein Außenseiterweg wie bei mir kann einen da an eine spannende Position bringen. Einen Masterplan habe ich dabei nie gehabt – ich habe einfach versucht, von den Möglichkeiten, die sich mir bieten, die wahrzunehmen, bei denen ich wusste, dass ich mich künstlerisch sicher fühle und dass da Leute sind, mit denen ich arbeiten will. Man muss einfach wachsam sein und Chancen ergreifen, denn diese Chancen kann man sich ja nicht backen. Einen großen Plan gab oder gibt es also nicht – aber die Demut, zu wissen, dass das alles nicht garantiert ist und dass man leider nicht genau weiß, wie man morgen oder übermorgen weiterarbeiten wird.

Wie weit kann man seine Karriere steuern – wie wichtig ist da jede einzelne Entscheidung, ein Projekt anzunehmen oder eben nicht?

MAKATSCH Das Wort „Nein“ führt einen da gut durch dieses Dickicht. Seinen Weg kann man nur finden, indem man spürt, dass die Dinge, die man tut, integer sind, deckungsgleich mit einem selbst. Da muss man dann auch die Zähne zusammenbeißen, wenn es mal dünn wird, und sich sagen: Okay, dann warte ich mal.

Allerdings muss man auch eine Familie ernähren, Sie haben drei Kinder. Da braucht man Nerven, oder?

MAKATSCH Ja, Nerven braucht man – aber dafür verdient ein Schauspieler, wenn er dreht, nicht schlecht. Davon kann man eine Zeit lang überleben.

Und hat dann eine Filmografie ohne künstlerische Ausraster?

MAKATSCH Naja, manchmal gibt es auch Drehbücher, die man durch eine rosa Brille liest, oder einen Film, der den eigenen Erwartungen dann doch nicht gerecht geworden ist – das ist aber nicht ehrenrührig.  Am Ende braucht es immer eine Portion Magie, die einen Film fliegen lässt – oder eben nicht. Selbst wenn sich alle sehr reinhängen, muss nicht immer ein guter Film dabei rauskommen. Deshalb kann es gar nicht meine Erwartung an meine berufliche Biografie sein, dass wirklich jeder Film gelungen ist. Ich muss ihn aber aus den richtigen Gründen gemacht haben.

Sie nehmen viele Hörbücher auf – ist das auch interessant, weil man allein verantwortlich ist für seine Leistung, während Film eine Teamarbeit ist?

MAKATSCH Das stimmt wohl. Und dann noch einen Klassiker einzulesen und dann auch noch Kinderbuchklassiker wie „Die kleine Meerjungfrau“ oder „Peterchens Mondfahrt“, da kann man nur auf der richtigen Seite sein. Gerade Kinderbücher als Hörbücher sind wundervoll und haben die beste Berechtigung.

Sie haben auch einiges am Theater gespielt, „Krieg und Frieden“ bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen und „Paris, Texas“ in Leipzig.

MAKATSCH Es gab eine Phase, da habe ich für Sebastian Hartmann, den damaligen Intendanten des Schauspiels Leipzig, in drei Produktionen gespielt. Das war für mich ein Ausflug in eine Welt, die ich kennenlernen wollte – aber Theater- und Filmschauspielen sind doch sehr unterschiedlich. Ich habe gemerkt, dass ich vor der Kamera zuhause bin.

Hatten Sie das Gefühl, dass die Presse Ihnen allzu lange das Ex-Viva-Moderatorin- und Girlie-Etikett anhängen wollte?

MAKATSCH Ja, das hat mich manchmal gestört, ich fühlte mich da schon missverstanden. Andererseits wusste ich dadurch noch mehr, dass ich nicht in entsprechenden Klischees gefangen sein wollte – also hat es mich motiviert, meine Entscheidungen noch klarer zu treffen. Aber ich weiß auch, dass ich meinen Werdegang Viva zu verdanken habe und der Aufmerksamkeit, die dieses „Girlie“-Missverständnis mit sich gebracht hat. Also stehe ich der ganzen Sache heute mit einer gewissen Altersmilde gegenüber. Aber es ist schon lustig, wenn man bedenkt, wie lange das her ist und wie stark das bis heute gewichtet wird, obwohl meine kurze Viva-Zeit und meine lange Schauspielzeit in keinem Verhältnis zueinander stehen. Aber es ist schon in Ordnung.

Wie weit muss man überhaupt medial mitspielen?

MAKATSCH Auch da ist das „Nein“ ein hilfreicher Begleiter. Zu manchen Presseorganen geht man besser nicht hin mit den eigenen Gedanken oder dem  Versuch, sich zu erklären, weil man weiß, dass es in falsche Kontexte gestellt wird. Wenn es ums Privatleben geht, muss man signalisieren, dass man diesen Bereich nicht öffentlich machen will. Dann wird das auch akzeptiert. Insofern habe ich nicht das Gefühl, dass man mitspielen muss. Und man hat natürlich den Wunsch, die Filme, die man macht, an die Öffentlichkeit zu bringen, die macht man ja nicht für zuhause. Das gehört alles zusammen, das kann man nicht auseinanderklamüsern – aber man muss wachsam sein  und bei sich bleiben.

In einem Interview eines bunten Blatts werden Sie als „sperrig“ beschrieben – wie schnell gilt man denn als „schwierig“?

MAKATSCH Ich glaube, das liegt daran, dass ich eben auch mal „nein“ sage. Und das Internet ist dann nicht hilfreich: In einem Interview steht da etwas von „sperrig“, darauf wird man dann in weiteren Interviews angesprochen – und das vertieft sich dann immer mehr: nicht nur „Girlie“, sondern auch noch „sperrig“. So zementiert sich dann ein totales Gerücht.  Dann ist es vielleicht am besten, darüber gar nicht viel zu reden.

Dann lieber eine Frage, die ich schon immer stellen wollte: Wie surreal ist es, einen Zombie zu spielen, wie in „Resident Evil“?

MAKATSCH  Ach je. Das ist schon so lange her, 2002. Es war eine winzige Rolle – zwei Drehtage, glaube ich. Man muss, um einen Zombie zu verkörpern, vielleicht ein bisschen mehr Fantasie einbringen, aber im Grund ist das wie jede andere Rolle auch: Man legt mit Mut einfach mal los.

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