Neue Melodien vom Mozart des Schachs

New York · Ab morgen verteidigt Schach-Weltmeister Magnus Carlsen in New York seinen Titel gegen den Russen Sergej Karjakin. Es ist das Duell zweier ehemaliger Wunderkinder und markiert den Generationenwechsel im internationalen Schachsport.

Etwa einen Monat vor seinem dritten Weltmeisterschafts-Duell zog sich Magnus Carlsen wieder in seine Blase zurück. In aller Abgeschiedenheit bereitete sich der norwegische Schach-Weltmeister auf die morgen in New York beginnende Titelverteidigung gegen den Russen Sergej Karjakin vor. Keine Interviews, keine öffentlichen Auftritte, keine Kampfansagen - nahezu ohne Kontakt zur Außenwelt komponierte der "Mozart des Schachs" die Melodien für sein nächstes ganz großes Werk.

Eine gute Vorbereitung ist beim Schach sogar für ein Genie wie Carlsen unabdingbar. Aus Angst vor Hackern, die es auf seine Spielanalysen abgesehen haben könnten, ließ der 25-Jährige deshalb seine Computer mit modernsten Sicherungsprogrammen ausrüsten: "Es geht immerhin um den WM-Titel, da wollen wir so gut geschützt sein, wie es eben möglich ist", sagte sein Manager Espen Agdestein der Zeitung "Verdens Gang". Er sprach von einem Abwehrsystem auf "Pentagon-Niveau".

Und das, obwohl Carlsen weit weniger auf die planbaren Feinheiten der Eröffnungsvarianten setzt als andere Spieler. Der Weltmeister verlässt sich auf seine Improvisations-Fähigkeiten im Mittel- und Endspiel. Dazu kommt seine meist überlegene Kondition. Vor allem gegen ältere Gegner, wie 2014 beim WM-Duell gegen den damals 44-jährigen Viswanathan Anand aus Indien, spielte Carlsen diesen Vorteil aus. Er provozierte am Ende der mitunter sechsstündigen Partien Fehler seines körperlich und mental erschöpften Gegners.

Das nun anstehende Duell im New Yorker Fulton-Market-Gebäude besiegelt endgültig einen Generationenwechsel im weltweiten Schachsport . Herausforderer Karjakin ist nur wenige Monate älter als Carlsen und zumindest konditionell auf ähnlichem Niveau. Krasser Außenseiter ist der Weltranglisten-Neunte trotzdem. Schon dass der 26-Jährige sich im Kandidatenturnier im März gegen sieben Konkurrenten durchgesetzt und damit für den WM-Kampf qualifiziert hatte, kam für viele überraschend.

Dabei galt Karjakin ähnlich wie Carlsen einst als Wunderkind der Szene. Mit zwölf Jahren und sieben Monaten wurde der gebürtige Ukrainer sogar jüngster Großmeister der Geschichte. Carlsen schaffte gleiches erst neun Monate später, legte anschließend jedoch die wesentlich steilere Entwicklung hin. Mit 13 rang der von seinen Mitschülern oft gehänselte Junge Garri Kasparow ein Remis ab, mit 19 führte der Norweger erstmals die Weltrangliste an, mit 22 wurde er Weltmeister und ist heute der "Posterboy" des internationalen Schachsports.

Der eher schüchterne Karjakin schlägt vor dem Vergleich mit "König Magnus" forsche Töne an. Zehn Jahre nach Wladimir Kramnik soll er der Schach-Nation Russland wieder einen Weltmeister bescheren. "Wenn Magnus gegen mich gewinnen will, muss er das beste Schach seines Lebens spielen", sagte er. Die Bilanz spricht mit einem Sieg bei vier Niederlagen und 16 Remis allerdings gegen den russischen Hoffnungsträger.

Maximal zwölf Partien werden in New York gespielt, alle zwei Tage gibt es einen Ruhetag. Erreicht ein Spieler bereits vorher 6,5 Siegpunkte, endet das Duell vorzeitig. Bei Gleichstand wird am 30. November ein Tiebreak mit verkürzter Spielzeit gespielt. Es wäre dann an Magnus Carlsens 26. Geburtstag.

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