Flucht aus dem Sozialismus

Köln. Pedro Luis Diaz Benitez liebt Kuba, so viel verrät er über seine Heimat. Viel mehr nicht. Wie es war, dort zu leben und zu arbeiten? "Ich war zufrieden in Kuba", sagt der Trainer, "und jetzt bin ich in Montreal zufrieden"

Köln. Pedro Luis Diaz Benitez liebt Kuba, so viel verrät er über seine Heimat. Viel mehr nicht. Wie es war, dort zu leben und zu arbeiten? "Ich war zufrieden in Kuba", sagt der Trainer, "und jetzt bin ich in Montreal zufrieden". Warum er gegangen ist und dem Sozialismus sowie großen Erfolgen in Serie mit den kubanischen Amateur-Boxern den Rücken gekehrt hat? Diaz nennt zwei Gründe: "Ich wollte die Welt kennen lernen. Und ich wollte mich im Profi-Geschäft versuchen."

Ein Bewegungs-Talent

Sollte Odlanier Solis an diesem Samstag (22.45 Uhr/RTL) in Köln Vitali Klitschko besiegen, wäre Pedro Diaz ganz oben angekommen im Profigeschäft. Einen Boxer zum Schwergewichts-Weltmeister machen - mehr geht nicht. In Kuba hat der Doktor der Erziehungswissenschaften an der Sportuniversität des Landes gearbeitet, hat mehrere Bücher über das Boxen geschrieben und war im Trainer-Team der kubanischen Box-Staffel für die Planung der Kampfvorbereitung zuständig. 20 Olympiasieger gingen durch seine Schule. Auch Solis.

Mit ihm und seinem Team sitzt Diaz nun in Köln in einem Restaurant. Solis isst Spaghetti Carbonara, er braucht Energie für Samstag, Diaz hat Salat mit gebratener Hühnchenbrust bestellt, er achtet auf seine Figur. Solis bezeichnet er als Bewegungs-Talent. "Hätte man ihn zum Basketball geschickt, wäre er ein großer Basketballer geworden. Aber er hätte auch Schwimmer werden können. Oder Baseballer." Doch Solis ist Boxer geworden, ein ziemlich guter. Bei den Amateuren wurde er nicht nur Olympiasieger, sondern auch drei Mal Weltmeister. Das spricht für sich.

Was zeichnet kubanische Boxer aus? Warum ist die Amateur-Staffel des Landes die erfolgreichste der Welt? Mit tiefschürfenden Antworten hält Diaz sich zurück. "Man kann alles erreichen, wenn man es nur will." Das ist seine oberste Maxime, und die hat er Solis eingetrichtert. Ihn nebenbei allerdings noch Gewichte stemmen und neun Kilogramm abnehmen lassen. Die richtige Mischung aus Kraft, Schnelligkeit und Technik - das sei wichtig, betont Diaz. "Wenn andere Trainer sehen, mit wie viel Gewichten ich Solis arbeiten lasse, halten sie mich für verrückt."

Ahmet Öner (Foto: dpa), der Manager von Solis, der Mann, der 2006 eine Million Euro an den vermittelnden Anwalt zahlte, nachdem die drei Olympiasieger Solis, Yuriolkis Gamboa und Yan Barthelemi nach Kolumbien geflohen waren und die Box-Promoter der Welt sich um sie rissen, klingt pathetischer, wenn er die Vorzüge kubanischer Boxer beschreibt: "Das ist ein Volk, das fürs Boxen geboren ist. Technik, gute Schule, ihre Coolheit. Das sind ,Sunnyboys', die geil boxen, die können es."

Aber noch nie wurde ein Kubaner Schwergewichts-Weltmeister bei den Profis. Helden wie die dreimaligen Olympiasieger Teófilo Stevenson und Félix Savón versuchten es gar nicht erst, weil sie überzeugt vom Sozialismus und glücklich in Kuba sind - wo das Profi-Boxen verboten ist. Versucht haben es bislang nur Jorge Luis Gonzáles und Juan Carlos Gómez. Der zweimalige kubanische Meister Gonzáles unterlag 1995 Riddick Bowe. Junioren-Weltmeister Gómez war nach seiner Flucht zum Cruisergewichts-Weltmeister der Profis aufgestiegen, scheiterte aber 2009 an Vitali Klitschko, als er es am Ende seiner Karriere auch noch im Schwergewicht nach oben schaffen wollte.

Odlanier Solis ist somit der erste kubanische Olympiasieger, der den Schwergewichts-Thron der Profis angreift. Warum er geflohen ist? Manager Öner erklärt das so: "Er und seine beiden Kollegen waren angepisst von der kubanischen Nationalmannschaft, von dem Regime, weil sie nach all den Medaillen, die sie gewonnen hatten, zu wenig Anerkennung bekamen. Sie mussten mit wenig Geld auskommen, weil Funktionäre es sich in die eigenen Taschen gesteckt haben." Zu sehen, dass "die Leute, die sie bei den Amateuren besiegt haben, sich die Taschen voll hauen", habe sie auch nicht glücklich gemacht.

"Einen Ranzen angefressen"

Für den Kampf gegen Vitali Klitschko erhält Solis 1,8 Millionen Dollar. Fritz Sdunek, Klitschkos Trainer, glaubt nicht, dass sich Solis an das Leben als Profi gewöhnt hat. "Die Kubaner lieben das lockere Leben. Man hat ja bei Solis gesehen: Der hatte sich schnell einen Ranzen angefressen." Damit, dass man mehr Geld verdient und längere Kampfpausen hat, müsse man zurechtkommen. Bei mangelnder Fitness nutzten auch die tolle Ausbildung in Kuba, die Explosivität, das gute Rhythmusgefühl, der gefährliche linke Haken wenig. "Da hat Fritz recht", sagt Ahmet Öner. Aber Solis habe ja das Glück, ihn zu haben: "Meine egoistische Einstellung und mein Erfolgswille haben Solis hierhin gebracht." Zudem passe der Trainer gut auf den Boxer auf. "Pedro Diaz ist mein Hauptgewinn", sagt Solis. "Das ist

ein Volk, das fürs Boxen geboren ist."

Ahmet Öner, Manager von Odlanier Solis, über die Kubaner

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