Der Kraftakt von Porto Alegre

Porto Alegre · Ausgelaugt, aber weiter. Die Fans feiern zwar den Kraftakt gegen Algerien, der Glaube an den WM-Titelgewinn wurde aber nicht genährt. Bundestrainer Joachim Löw braucht für das Viertelfinal-Spiel gegen Frankreich einen besseren Plan.

Noch zwei Siege sind es bis zum Traumfinale im Maracanã-Stadion. Doch die Zweifel an einer triumphalen deutschen WM-Titelmission in Brasilien wachsen nach dem 2:1 nach Verlängerung gegen engagierte Algerier. Zu deutlich traten beim beschwerlichen Viertelfinal-Einzug die Defizite in der Elf von Bundestrainer Joachim Löw zu Tage. "Im Moment kann man eher Frankreich in der Favoritenrolle sehen", bemerkte selbst Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff vor dem Viertelfinale am Freitag (18 Uhr/ARD ) in Rio de Janeiro gegen Frankreich .

Nur drei Tage bleiben Löw und seinen ausgelaugten Spielern, um sich besser vorzubereiten. "Ein Horrorfilm war es nicht, aber wir haben sicherlich nicht gut gespielt", erklärte der wegen der Erkrankung von Mats Hummels in die Innenverteidigung gerückte Jérome Boateng. Für den als mitspielender Torhüter überzeugenden Manuel Neuer ist Frankreich "die stabilste Mannschaft im Turnier. Das ist keine einfache Aufgabe für uns".

Schnell war am Montagabend im kühlen Porto Alegre klar geworden, dass weder der Trainer mit seinem Plan für das Spiel noch die Spieler mit ihrer lange Zeit behäbigen Spielweise Außenseiter Algerien beeindrucken konnten. "Algerien hat gut gespielt und es uns schwer gemacht", gestand André Schürrle . Mit seinem Tor in der Verlängerung (92. Minute) löste er den Knoten. Mesut Özil legte dann noch zum 2:0 nach (119.).

Löw wirkte an der Seitenlinie teilweise ratlos und distanziert. Nach dem Spiel schaltete er aber in einen Positiv-Modus um. "Soll ich jetzt nach dem Weiterkommen enttäuscht sein? Solche Spiele gibt es bei jedem Turnier", sagte Löw. Auf dem dreistündigen Rückflug zurück ins WM-Quartier nach Porto Seguro nahm er eine erste Bestandsaufnahme vor. Hummels plagt ein grippaler Infekt. WM-Neuling Shkodran Mustafi ist mit einem Muskelbündelriss im Oberschenkel ganz aus dem Turnier. Boateng, Per Mertesacker und vor allem Bastian Schweinsteiger quälten sich über das Feld. "Er war kräftemäßig völlig am Limit", sagte Löw über Schweinsteiger, der von Krämpfen geplagt in der Verlängerung ausgewechselt werden musste. "Es ist ärgerlich, wenn man sieht, dass Frankreich in der regulären Zeit gewonnen hat", bemerkte Neuer, der seine Elf mit mehreren erstklassigen Rettungsaktionen weit vor dem Strafraum im Spiel gehalten hatte.

Das Gesamtfazit des Bundestrainers lautete: "Man muss nicht immer fantastisch spielen, aber gewinnen." Vielleicht wird der 54-Jährige nun auch ein bisschen zum möglichen Glück gezwungen. Denn nach Mustafis Ausfall rückte Lahm aus dem Mittelfeld auf seine angestammte Position rechts in der Abwehrkette. Und gleich funktionierten die Mechanismen besser. Löw schloss dann auch eine dauerhafte Rückversetzung von Lahm nicht mehr kategorisch aus. "Man muss den Spielern ein, zwei Tage Zeit geben, um sich zu regenerieren. Dann werden wir personelle Entscheidungen treffen", antwortete der Bundestrainer auf eine entsprechende Frage.

Zum Thema:

Auf einen BlickPressestimmen: "The Telegraph" (Großbritannien): Deutschland zwängt sich an Algerien vorbei. "El Mundo" (Spanien): Blut, Schweiß und Tränen kostete es Löws Truppe, um enthusiastisch aufspielende Algerier zu besiegen. "El Mundo Deportivo" (Spanien): Deutschland am Rande der Katastrophe. Die Torhüter M'Bolhi und Neuer waren die Helden in einem emotionalen Spiel. "As" (Spanien): Schürrle verhindert das algerische Wunder. "O Globo" (Brasilien): Deutschland hat in 120 Minuten jeglichen Status von einem hohen Favoriten auf den WM-Titel abgebaut. "Neue Zürcher Zeitung" (Schweiz): Der Favorit taumelt, doch er fällt nicht. "Tages-Anzeiger" (Schweiz): Deutschland kegelt sich mit haarsträubenden Abwehrfehlern beinahe selber aus der WM. Um die gute Stimmung ist es erst einmal geschehen. dpa

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