Tennis Er machte aus Boris eine globale Marke

Bukarest · Der rumänische Milliardär Ion Tiriac, einst Manager von Tennis-Ikone Becker, feiert an diesem Donnerstag seinen 80. Geburtstag.

Geschlagene fünf Stunden lang hat Ion Tiriac dem Treiben zugesehen, dabei natürlich keine Miene verzogen, das tat er ja nie. Fünf Stunden, in denen Argentiniens begnadeter Tennis-Poet Guillermo Vilas einen Halbwüchsigen mit Babyspeck und roten Haaren unter der stechenden Sonne im Monte Carlo Country Club über den Platz gescheucht hatte – von rechts nach links, vor, zurück, weiter, immer weiter. „Ich habe fast gekotzt“, wird sich Boris Becker später erinnern. Der Leimener ist damals 15 Jahre alt, Tiriac natürlich auch deutlich jünger als heute. An diesem Donnerstag wird Beckers einstige Gelddruckmaschine 80.

Als die Tortur beendet ist, geht Tiriac zu Günther Bosch. „Günther, wir müssen mit den Eltern reden. Der Junge wird mal Wimbledon gewinnen“, sagt er. Wenig später, irgendwann im Herbst 1983, trifft man sich im Flughafenhotel in Frankfurt. Tiriac, der Manager mit der Lizenz zum Geldbeschaffen, Bosch, der sich als Trainer bedingungslos dem rothaarigen Jungen verschrieben hat, und Familie Becker aus Leimen: Vater Karl-Heinz, Mutter Elvira und ihr Sohn Boris. An dem Tag verlieren Karl-Heinz und Elvira ihren Zweitgeborenen an Deutschland.

Und so ging die Geschichte dann los. Becker spielte, Bosch trainierte, Tiriac beschaffte Verträge und Geld. Rumäniens ehemaliger Eishockey-Nationalspieler wurde für das deutsche Tennis zu einem Glücksgriff. Becker kassierte, der Deutsche Tennis-Bund kassierte, und Graf Dracula mit der schwarzen Löwenmähne und dem gewaltigen Schnauzbart kassierte ordentlich mit. Vom Preisgeld bekam er zehn Prozent, von den Werbeeinnahmen 30 Prozent, Becker wurde dennoch locker zum Multimillionär. „So einer fällt vom Himmel“, sagte Tiriac einst über Becker: „Den gibt es nicht noch einmal.“

Einen wie Tiriac vielleicht auch nicht. Er stammt aus Kronstadt in Siebenbürgen, dort stand er am Fließband einer Kugellager-Fabrik. Er wohnte in derselben Straße wie Günther Bosch, der auch im selben Werk arbeitete. Bosch spielte gerne und gut Tennis, Tiriac noch nicht so sehr, er hatte es zunächst eher mit Eishockey, deshalb gab ihm der Kollege ein paar Trainerstunden.

Beide fuhren mit einem alten Java-Motorrad zu den Turnieren in Rumänien. „Das ganze Jahr über, bis der Frost kam“, erinnert sich der zwei Jahre ältere Bosch. Später spielte Tiriac, obwohl nicht mit einem gottgegebenen Talent gesegnet, Davis Cup für Rumänien und gewann mit seinem Landsmann Ilie Nastase 1979 die Doppelkonkurrenz bei den French Open.

Ion Tiriac hatte keinen leichten Start ins Leben. Als er neun Jahre alt war, starb sein Vater, fortan war er der „Mann“ in der Familie. Er musste sich alleine nach oben durchkämpfen, und das tat er ziemlich konsequent. Er besitzt Wohnungen in New York, Paris, Monte Carlo und London, Autohäuser, Banken, Privatjets und Immobilienfirmen, in seiner Garage stehen fast 500 blank polierte Oldtimer.

Einen großen Teil seines Reichtums hat er stets mit denen geteilt, die nicht auf der Sonnenseite stehen. Viele Waisenhäuser in seiner Heimat tragen seinen Namen, in Bukarest baute er ein Eishockey-Stadion, in dem Kinder und Jugendliche umsonst trainieren und spielen dürfen. Derzeit errichtet er 500 Kindergärten in seiner Heimat und profitiert so ganz nebenbei von einem Erlass der rumänischen Regierung, die jede dieser Einrichtungen mit 500 000 Euro subventioniert.

In Bukarest kann man Tiriac oft am Steuer eines seiner Oldtimer sehen. Manchmal, wenn das Wetter besonders schön ist, holt er die richtigen Schätze aus der Garage, den schwarzen Cadillac zum Beispiel, mit dem einst Evita Perón an der Casa Rosada vorfuhr. Er ist und war nie unumstritten, und die alljährliche Bärenjagd, zu der er Freunde und Geschäftspartner in sein Revier im Norden Rumäniens einlädt, treibt Tierschützer in aller Welt immer wieder auf die Barrikaden.

Tiriac ist mit seinen 80 Jahren nach wie vor umtriebig – auch im Sport. Eine seiner Firmen veranstaltet das Tennis-Masters in Madrid, im Oktober ist er ebenfalls als Mitveranstalter erstmals bei einem Golf-Turnier in der spanischen Hauptstadt dabei. Derzeit soll er, so berichten rumänische Medien, eine neue Lebensgefährtin an seiner Seite haben, eine 37 Jahre jüngere ehemalige Kunstturnerin. Sterben will Tiriac eines Tages „ganz sicher als Rumäne“. Aber vorher wird er bestimmt noch ein bisschen Geld verdienen. Das konnte er schon immer gut – vor allem mit Boris Becker.

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