Gerichtsprozess Berus Todesfahrer: Die Technik hat versagt

Saarlouis · Ein Mädchen ist tot. Sie wurde an einer Landstraße vom Auto eines 23-Jährigen überrollt. Jetzt steht er vor Gericht.

 Unser Archivbild zeigt Polizei und Feuerwehr am Unfallort bei Berus – mit dem silbernen Opel Zafira des Angeklagten.

Unser Archivbild zeigt Polizei und Feuerwehr am Unfallort bei Berus – mit dem silbernen Opel Zafira des Angeklagten.

Foto: rup

Opfer von Verkehrsunfällen sind keine Nummern oder Striche in einer Statistik – sie sind Menschen und haben Namen. Einer der Namen lautet Victoria. Um den Tod der jungen Frau geht es seit gestern vor dem Amtsgericht Saarlouis.

Victoria wurde 14 Jahre alt. Sie starb am Abend des 7. August 2016 auf dem gepflasterten Gehweg der Landstraße zwischen Überherrn und Berus. Sie und zwei Freunde wollten zu Fuß zu einem beliebten Aussichtspunkt. Dorthin waren auch drei junge Männer mit ihren zu Rennwagen umgebauten Autos unterwegs. Als Victoria und ihre Freunde eine Pause machten, kam einer der Wagen mit etwa 90 Kilometern die Stunde angerast.

Aber die scharfe Rechtskurve mit den drei Fußgängern „verträgt“ nach Feststellung eines Gutachters maximal Tempo 50/55. Der Fahrer des auf 185 KW (251 PS) frisierten Opel Zafira verlor die Kontrolle, sein Auto überrollte die 14-Jährige und schleuderte einen 16-Jährigen durch die Luft. Die 14-Jährige war sofort tot. Der 16-Jährige wurde schwer verletzt. Der 19-Jährige Begleiter der beiden blieb äußerlich unverletzt.

Wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs muss sich nun der Fahrer des Opel Zafira vor Gericht verantworten. Zum Auftakt des auf drei Tage geplanten Strafprozesses berichtete der heute 23 Jahre alte Angeklagte über sein Leben, seine Leidenschaft für Autos und den Unfall. Er betonte: „Ich bin kein Raser. Im öffentlichen Verkehr halte ich mich an die Regeln.“ Auch bei Berus habe er vor der Kurve langsam gemacht. Aber sein Antiblockiersystem (ABS) für die Bremsen habe versagt. Deshalb hätten die Räder blockiert, er habe die Kurve nicht ausfahren können und sei geradeaus: „Ich konnte nicht damit rechnen, dass die Technik versagt. Da kann ich nichts dafür.“

Der Angeklagte weiter: An jenem Tag hätten seine Freunde und er den Turbolader des Opel repariert. Im Detail schilderte er die Arbeiten an dem 250 Kilometer pro Stunde schnellen Auto und geriet dabei ins Schwärmen über seinen Opel. Ein Bild des Autos, nicht ein Bild des jungen Mannes ziert dessen  Facebook-Profil im Internet. Das Auto sei etwas ganz besonderes. Deshalb wolle er es auch nach dem Unfall wieder zurück haben und nicht dem Staat überlassen. Nahezu alles an dem Auto sei von ihm verändert worden. Motor, Fahrwerk, Innenraum, Auspuff. Manches davon sei beim TÜV eingetragen worden, manches nicht. Rund 15 000 Euro habe er in sämtliche Umbauten investiert, so der 23-Jährige. Etwa 20 Mal sei er mit dem Wagen zum Nürburgring gefahren. Dort könnten Normalbürger für 30 Euro auf die Rennstrecke mit der berühmten Nordschleife. Und: „Wenn ich rasen will, fahre ich zur Nordschleife.“

Vor diesem Hintergrund sei er auch an jenem Abend „nicht voll geheizt“. Es sei dunkel gewesen, deshalb sei er „zart gefahren“. Vor der Rechtskurve sei er über die Mittellinie der Straße nach links, um die Kurve anzufahren. So wie es die Rennfahrer machen. Aber dann habe beim Bremsen das ABS versagt, obwohl es doch auf der Rennstrecke immer funktioniert habe. Sein Fazit: „Hätte das ABS funktioniert, wäre ich durch die Kurve gekommen. Dann wäre der Unfall nicht passiert.“

Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Ein Gutachter hat im Scheitelpunkt der Kurve eine Rest-Geschwindigkeit des Opel von mindestens 63 Kilometern pro Stunde errechnet. Das ist zu viel für diese Kurve. Sie war bei diesem Tempo nicht zu schaffen – egal ob mit oder ohne ABS. Demnach wäre also der Angeklagte schuld an dem Unfall. Und manchmal sieht es so aus, als würde der 23-Jährige das einsehen.

Aber dann sitzen der Angeklagte, seine Familie und Freunde in den Sitzungspausen auf der Mauer vor dem Amtsgericht in Saarlouis. Vor ihnen parken diverse Alltagsautos, die durch Aufkleber der Auto-Szene zuzuordnen sind. Darunter ein Opel mit besonders vielen szene­typischen Aufklebern. Einer davon zeigt eine Liste mit gezeichneten Bildern von einem Auto, einem Radfahrer, einem Mopedfahrer und einem Fußgänger mit Gehhilfe. Dahinter sind jeweils Striche zu sehen – ähnlich wie bei Kampffliegern im Krieg, die mit solchen Strichlisten ihre Feind-Abschüsse dokumentieren. Der Aufkleber ist wohl als Spaß gemeint.  Aber vor dem Amtsgericht in Saarlouis ist er völlig fehl am Platz.

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