Der Abschied vom Chor fällt nicht leicht

St Wendel · Der St. Wendeler Männerchor ist verstummt. Nach 170 Jahren, in denen der Chor das gesellschaftliche Leben der Stadt mitprägte, ist das letzte Lied verklungen. Der Rückgang ließ sich nicht kompensieren.

 Hermann Lissmann, Eugen Gramlich und Hermann Schmidt (von links). Foto: Hermann Schmidt

Hermann Lissmann, Eugen Gramlich und Hermann Schmidt (von links). Foto: Hermann Schmidt

Foto: Hermann Schmidt

"Die Zahl der Sänger ist so stark geschrumpft, dass wir die Stimmen nicht mehr ausreichend besetzen können, vor allem im Tenor", stellte Vereinsvorsitzender Hermann Schmidt in einer Versammlung des St. Wendeler Männerchores fest. "Ich sehe daher keine Möglichkeit mehr, den Chorgesang fortzuführen." In der Generalversammlung im Februar wurde der Beschluss gefasst, den Verein aufzulösen. Zu diesem Zeitpunkt lag der letzte Auftritt - die Mitgestaltung einer Messe im Missionshaus - bereits drei Monate zurück.

Jetzt trafen sich die Sänger zum Abschiedsabend und gleichzeitig zur 125-Jahrfeier des Männerchores Alsfassen-Breiten. Dabei betonte der Dirigent Hermann Lissmann noch einmal, wie schwer es ihm gefallen sei, nach 35 Jahren den Taktstock aus der Hand zu legen. "Es ist mir heute ein Bedürfnis, den Sängern zu danken, die dem Chor bis zum Ende die Treue gehalten haben", bemerkte er. Dem 90-jährigen ehemaligen Vorsitzenden und bisherigen Ehrenvorsitzenden Eugen Gramlich wurde abschließend eine besondere Ehrung zuteil. "In den 33 Jahren seiner Vereinsführung hat er den Chor zu dem gemacht, was er über Jahrzehnte hinweg war, nämlich ein leistungsstarker und beliebter Klangkörper", sagte Hermann Schmidt und überreichte ihm eine Stadtansicht und eine Karikatur von sich selbst, die der Künstler Klaus Riefer gezeichnet hatte.

Abwärtstrend seit den 60ern

Freilich gab es vielfältige Bemühungen, den schon in den 60er-Jahren bemerkbaren schleichenden Rückgang der Zahl der Sänger aufzuhalten oder zu kompensieren. Es begann mit der Bildung einer Chorgemeinschaft zwischen dem Städtischen Männerchor 1845 und dem Männerchor Alsfassen-Breiten. Der lockeren Vereinigung folgte sechs Jahre später der endgültige Zusammenschluss. Nachdem sich 2005 der Männergesangverein Oberlinxweiler, der zuvor schon die Remmesweiler Sänger bei sich aufgenommen hatte, auflöste, wechselte ein Teil der Mitglieder zum Männerchor St. Wendel . Mit über 30 Stimmen erreichte dieser wieder eine gewisse Stabilität. Dennoch war in den Folgejahren der Abwärtstrend nicht aufzuhalten. Das unausweichliche Aus war nur noch eine Frage der Zeit.

Weil der Männerchor St. Wendel kein eingetragener Verein war, brauchte er auch im Vereinsregister nicht gelöscht zu werden. Abmeldungen gingen an den Kreischorverband und an den Saarländischen Chorverband.

Der Erlös aus dem Verkauf des Vereinsvermögens - dazu gehörte auch ein Klavier - wird der Musikschule im Kreis St. Wendel überlassen. Noch vorhandenes Notenmaterial gibt Dirigent Hermann Lissmann an Interessenten kostenlos ab. Während die Vereinsfahne des Städtischen Männerchores 1845 schon seit Jahren im Archiv der Stadt St. Wendel aufbewahrt wird, kommt nun noch die des Männerchors Alsfassen-Breiten hinzu. Sie schmückte viele Jahre den Proberaum des Chores im Alsfassener Kulturzentrum.

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Hintergrund Der Städtische Männerchor war am 29. Juni 1845 gegründet worden. Viele Stimmen kamen hinzu, als sich die außerdem in der Stadt existierenden Chöre Orphea und Rheingold sowie das Quartett Lambert dem Männerchor anschlossen. Die Gründung des Männerchors Alsfassen-Breiten geht in das Jahr 1891 zurück. Ursprünglich trug er den Namen Jubila. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mit 38 Sängern neu begonnen. red

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