Als Radfahren nicht ohne "Carte de bicyclette" gestattet war

Güdesweiler. "Dieser Fahrradschein ist beim Benutzen des Fahrrades ständig mitzuführen und den Kontrollorganen auf Verlangen vorzuzeigen." So steht es auf dem 55 Jahre alten, amtlichen Dokument, das der 68-jährige Rudolf Schäfer aus Güdesweiler sorgfältig aufbewahrt. Den Fahrradschein brauchte damals jeder Fahrradbesitzer

 Ähnlich wie das Fahrrad des 13-jährigen Jungen aus St. Wendel dürfte auch das Rad ausgesehen haben, das Rudolf Schäfer fuhr. Das Foto stammt aus dem Jahr 1953. Fotos: SZ/Schäfer

Ähnlich wie das Fahrrad des 13-jährigen Jungen aus St. Wendel dürfte auch das Rad ausgesehen haben, das Rudolf Schäfer fuhr. Das Foto stammt aus dem Jahr 1953. Fotos: SZ/Schäfer

 Der alte Fahrradschein.

Der alte Fahrradschein.

Güdesweiler. "Dieser Fahrradschein ist beim Benutzen des Fahrrades ständig mitzuführen und den Kontrollorganen auf Verlangen vorzuzeigen." So steht es auf dem 55 Jahre alten, amtlichen Dokument, das der 68-jährige Rudolf Schäfer aus Güdesweiler sorgfältig aufbewahrt. Den Fahrradschein brauchte damals jeder Fahrradbesitzer. Angeordnet hatte das die Regierung des Saarlandes deshalb, weil es in den Jahren nach dem Krieg viele Raddiebstähle gab. Ausgestellt worden ist der alte Schein vom Bürgermeisteramt St. Wendel-Land auf den Bergmann Jakob Schäfer, der damals in einem Neubau in der heutigen Kapellenstraße wohnte. Registriert war das NSU-Damenfahrrad unter der Nummer SA-08G-5860. Auf der Rückseite sind Verhaltensregeln im Straßenverkehr und Hinweise für die vorgeschriebene Ausstattung des Fahrrades abgedruckt. Das Rad musste eine hell tönende Glocke, einen Rückstrahler und nicht blendendes, 50 Meter weit sichtbares Licht besitzen. Der Schein konnte auf eine andere Person übertragen werden, die mit dem Fahrrad unterwegs war. Diese andere Person war im Jahr 1954 der damals 14-jährige Rudolf. "Mein Vater hatte das Rad seinerzeit für meine Schwester gekauft, vermutlich in der Eisenwarenhandlung Klein in Oberthal", erzählte Rudolf Schäfer. "Aber meine Schwester wollte nicht darauf fahren, oder sie hat sich einfach nicht getraut. Jedenfalls habe ich das Fahrrad dann selbst benutzt." Der Junge aus Güdesweiler unternahm mit dem guten Stück, das in der Zeit nach dem Krieg in den Familien keine Selbstverständlichkeit war, Touren durch die ganze Gegend, manchmal allein, manchmal auch mit Kameraden. Immer habe man Flickzeug und Luftpumpe dabei haben müssen. Plattfüße seien damals an der Tagesordnung gewesen, weil die meisten Straßen noch in einem schlechten Zustand oder überhaupt nicht ausgebaut gewesen seien. Eine Fahrt habe ihn, so Rudolf Schäfer, einmal zum ehemaligen Güdesweiler Pastor Henseler nach Schmelz geführt, eine andere sogar bis nach Trier. Als er sich 1961 ein Auto gekauft habe, sei das Rad nicht mehr benutzt worden. gtr

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