Ein stiller Zeuge, ein mutiger Mensch

In Oberthal war er der Krees Johann, Kommunist, Gemeindearbeiter, Totengräber. 1902 geboren, wohnte Johann Becker, so sein richtiger Name, in der Imweilerstraße in Oberthal. "Er hat niemals um seine Person Aufhebens gemacht. Er hat nie gejammert und gehadert", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Scharf aus Oberthal, der das Filmprojekt über Becker jahrelang begleitet hat

 1935: Johann Becker mit seiner Frau Anna.

1935: Johann Becker mit seiner Frau Anna.

In Oberthal war er der Krees Johann, Kommunist, Gemeindearbeiter, Totengräber. 1902 geboren, wohnte Johann Becker, so sein richtiger Name, in der Imweilerstraße in Oberthal. "Er hat niemals um seine Person Aufhebens gemacht. Er hat nie gejammert und gehadert", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Scharf aus Oberthal, der das Filmprojekt über Becker jahrelang begleitet hat. Dabei hätte Becker allen Grund dazu gehabt. Denn Johann Becker erlebte und überlebte zehn Jahre Naziterror in verschiedenen Konzentrationslagern. Er starb am 1. Januar 1972 in seinem Heimatort.Zehn Jahre lang hat der aus Oberthal stammende Kameramann Günther Ruschel über das Leben von Johann Becker aus Oberthal recherchiert. 20000 Kilometer hat er zurückgelegt, mehrfach KZ-Gedenkstätten besucht, Zeitzeugen befragt. "Johann Becker, Fragmente eines Lebens" heißt sein Dokumentarfilm, der am vergangenen Samstag, in der Bliestalhalle in Oberthal zum ersten Mal gezeigt wurde.Der Dorfkommunist Johann Becker engagierte sich für die Arbeiterbewegung. Er war den Nazis ein Dorn im Auge. 1935 denunzierten einige Dorfbewohner ihn. Sein Vergehen: Er hatte eine Hakenkreuzfahne abgehängt. Die Gestapo verhaftete ihn am 9. April 1935. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilte ihn ein Gericht nach den neuen Nazi-Gesetzen zu zehn Jahren Zuchthaus. Becker wurde zunächst in ein Konzentrationslager ins Emsland gebracht, gut zwei Jahre später ins KZ Buchenwald. Im KZ Buchenwald begegnete der Oberthaler 1938 auch dem deutschen Schriftsteller Ernst Wiechert. In seinem Buch "Der Totenwald" hat Wiechert Johann Becker ein literarisches Denkmal gesetzt (siehe eigenen Text). Der Filmautor Ruschel zitiert Wiechert bei der Beschreibung von Becker: "Ein einfacher Arbeiter, riesig gewachsen, rau in Wort und Gebärde", zählte Becker zu den Erbauern von Buchenwald. Als Kommunist machte man ihn dort zum Kapo, zu dem so genannten Barackenältesten, den die SS für alles, was sich in seinem Bereich abspielte, auch verantwortlich machte. Aber Becker habe seine Leute geschützt, Strafen auf sich genommen. Oft genug sei er deswegen auf den berüchtigten Bock gelegt und ausgepeitscht worden. Auf seinem Rücken reihte sich Narbe an Narbe, so sein Hausarzt Doktor Hermann Josef Steffens aus Oberthal in einem Interview.Am 30. April 1945 endete das Leiden von Becker im KZ, am 19. Mai war er wieder Zuhause. Was er im KZ erlebt und erlitten hatte, darüber schwieg er. Viele wollten es wohl auch nicht wissen. Nach dem Krieg arbeitete er in Oberthal als einfacher Arbeiter. Er war längere Zeit Totengräber. Die filmische Dokumentation folgt den Stationen der zehnjährigen Inhaftierung und der Zeit nach dem Krieg. Der Film zeigt ein chronologisches Bild der Zeit in den Konzentrationslagern. Auch anhand von Unterlagen aus dem saarländischen Landesarchiv, beraten von Stefan Weszkalnys vom Referat für Landesgeschichte im Kultusministerium, hat Ruschel das Porträt von Becker zeichnen können. Ebenso berichten Zeitzeugen und die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, Barbara Distel, und der stellvertretende Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Rikola-Gunnar Lüttgenau. Bürger aus Oberthal und Umgebung, die Becker noch kannten, berichten von ihm aus der Zeit unmittelbar vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Enkelinnen von Becker sprechen zum ersten Mal über die Zeit bei ihren Großeltern und über ihre Erinnerungen und Erlebnisse als Kinder im Dorf. Die Filmdokumentation über Johann Becker ist 50 Minuten lang und wurde am vergangenen Samstag in der Bliestalhalle in Oberthal gezeigt. Zuvor war auf dem Imweiler Platz eine Gedenktafel enthüllt worden. Diese Ehrung hat der aus CDU- und SPD-Mitgliedern bestehende Gemeinderat beschlossen.Oberthal. Ernst Wiechert hat in dem Buch "Der Totenwald" seine Erinnerungen an das KZ Buchenwald niedergeschrieben. Er berichtet dabei von sich nicht in der ersten Person sondern installiert die Figur "Johannes" In dem Buch berichtet er auch über Johannes Becker. Wiechert schreibt: "Auch hier herrschte der Vorarbeiter Hans. Auch Hans stammte aus dem Saarland, ein einfacher Arbeiter, riesig gewachsen, rau in Wort und Gebärde. Aber er rührte keinen seiner Leute an. Was gefehlt wurde, nahm er auf seine breiten Schultern, und seine Augen wachten über Johannes wie über einen Bruder. "Immer langsam, Johannes", sagte er mit einer heiseren Stimme im Vorbeigehen. "Lass dir Zeit, immer nur so, dass es nach Arbeit aussieht. Du bist viel zu schade für diese Schweine."Guter und Braver, was hat Johannes dir viel mehr geben können, als hin und wieder ein paar Zigaretten und ein paar Verse für deine Frau zu ihrem Namenstag, um die du ihn batest? Aber in die goldene Tafel seines Lebens bist auch du aufgenommen, und nicht als der Geringsten einer. Du wusstest nichts von Goethe oder Mozart. Du glaubtest an keinen Gott und warst ein Hochverräter, aber wenn ein Gericht sein wird von dem die Bücher sagen, werden die Richter aufstehen und sich neigen vor dir, weil du vieler Menschen Kreuz auf dich genommen hast. Und wenn Johannes verzweifeln wollte oder will an seinem Volk, so braucht er nur deiner und deinesgleichen zu gedenken. Nicht der Großen des Rechtes oder der Wissenschaft, nicht des Adels oder der Uniformen, nicht der Dichter oder Redner. Sondern allein des einfachen Mannes, der so ist wie du warst. Ihr wart die Tapferen unter Millionen von Feigen, ihr trugt euer Schicksal drei und vier und fünf Jahre lang, und ihr hattet noch Kraft genug, um denen die Hand zu reichen die am Abgrund standen." Auszug aus Ernst Wiechert "Der Totenwald - ein Bericht" 1946, zitiert aus Ullstein-Taschenbuch, 2. Auflage 2001, Seite 95). red

 Johann Becker, in der Bustür, besuchte mit einer Reisegruppe das Konzentrationslager Dachau. Fotos: Günther Ruschel

Johann Becker, in der Bustür, besuchte mit einer Reisegruppe das Konzentrationslager Dachau. Fotos: Günther Ruschel

 Menschenverachtend ist dieser Spruch am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.

Menschenverachtend ist dieser Spruch am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.

 1935: Johann Becker mit seiner Frau Anna.

1935: Johann Becker mit seiner Frau Anna.

 Johann Becker, in der Bustür, besuchte mit einer Reisegruppe das Konzentrationslager Dachau. Fotos: Günther Ruschel

Johann Becker, in der Bustür, besuchte mit einer Reisegruppe das Konzentrationslager Dachau. Fotos: Günther Ruschel

 Menschenverachtend ist dieser Spruch am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.

Menschenverachtend ist dieser Spruch am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.

 1935: Johann Becker mit seiner Frau Anna.

1935: Johann Becker mit seiner Frau Anna.

 Johann Becker, in der Bustür, besuchte mit einer Reisegruppe das Konzentrationslager Dachau. Fotos: Günther Ruschel

Johann Becker, in der Bustür, besuchte mit einer Reisegruppe das Konzentrationslager Dachau. Fotos: Günther Ruschel

 Menschenverachtend ist dieser Spruch am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.

Menschenverachtend ist dieser Spruch am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.

 1935: Johann Becker mit seiner Frau Anna.

1935: Johann Becker mit seiner Frau Anna.

 Johann Becker, in der Bustür, besuchte mit einer Reisegruppe das Konzentrationslager Dachau. Fotos: Günther Ruschel

Johann Becker, in der Bustür, besuchte mit einer Reisegruppe das Konzentrationslager Dachau. Fotos: Günther Ruschel

 Menschenverachtend ist dieser Spruch am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.

Menschenverachtend ist dieser Spruch am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.

 1935: Johann Becker mit seiner Frau Anna.

1935: Johann Becker mit seiner Frau Anna.

 Johann Becker, in der Bustür, besuchte mit einer Reisegruppe das Konzentrationslager Dachau. Fotos: Günther Ruschel

Johann Becker, in der Bustür, besuchte mit einer Reisegruppe das Konzentrationslager Dachau. Fotos: Günther Ruschel

 Menschenverachtend ist dieser Spruch am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.

Menschenverachtend ist dieser Spruch am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.

 1935: Johann Becker mit seiner Frau Anna.

1935: Johann Becker mit seiner Frau Anna.

 Johann Becker, in der Bustür, besuchte mit einer Reisegruppe das Konzentrationslager Dachau. Fotos: Günther Ruschel

Johann Becker, in der Bustür, besuchte mit einer Reisegruppe das Konzentrationslager Dachau. Fotos: Günther Ruschel

 Menschenverachtend ist dieser Spruch am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.

Menschenverachtend ist dieser Spruch am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald.

Zur PersonGünther Ruschel stammt ebenfalls aus Oberthal, lebt in Neunkirchen. Er ist Fernsehjournalist, Kameramann und Fotograf, bereiste Kriegs- und Katastrophengebiete. Er war bei Jelzins Revolution 1995 in Moskau vor Ort, ebenso bei den Kriegen in Jugoslawien und Irak, 2008 nach dem Zyklon Nargis in Birma, um nur einige Beispiele zu nennen. An der Dokumentation über Becker arbeitete er insgesamt zehn Jahre. Warum dieses Engagement? Ruschel kannte Johann Becker persönlich. 1959 fehlte fehlte nämlich Ruschels Familie nach einem Arbeitsunfall seines Vaters und einer Operation der Mutter das Geld für einen Weihnachtsbaum. Der junge Ruschel wollte deshalb einen Baum im Wald schlagen, wurde dabei von Johann Becker erwischt. Der schickte ihn ohne Baum heim. Abends dann stand ein Weihnachtsbaum vor der Tür. Kein Hinweis, von wem er war. Für Ruschel konnte nur Johann Becker der Spender gewesen sein. So sei Becker gewesen, habe im Stillen ohne Aufsehen zu machen, geholfen. Diese persönliche Erfahrung war ein Motivationsgrund. Die Erwähnung Beckers im "Totenwald" ein weiterer. Dass die Spurensuche so lange dauern würde, damit hatte der Autor wohl auch nicht gerechnet. Ruschel: "Manchmal hatte ich Angst, die Geschichte nicht rund zu kriegen." vf

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort