Grabschmuck im Wandel der Zeit

Otzenhausen. Die Scheu, über Friedhöfe zu spazieren, gehört längst der Vergangenheit an. Als Oasen der Stille sind sie nicht nur Stätten, an denen die Hinterbliebenen in ganz individueller Weise ihrer Verstorbenen gedenken können. Die Gräber erzählen auch von der Kultur, die sie verkörpern. Sie lassen allerdings auch den Wandel erkennen, dem sie im Lauf der Zeit unterworfen sind

 Anja Faust-Spanier bindet ein modernes Gesteck mit Holzteilen und Blumen in Form eines Kreuzes. Foto: atb

Anja Faust-Spanier bindet ein modernes Gesteck mit Holzteilen und Blumen in Form eines Kreuzes. Foto: atb

Otzenhausen. Die Scheu, über Friedhöfe zu spazieren, gehört längst der Vergangenheit an. Als Oasen der Stille sind sie nicht nur Stätten, an denen die Hinterbliebenen in ganz individueller Weise ihrer Verstorbenen gedenken können. Die Gräber erzählen auch von der Kultur, die sie verkörpern. Sie lassen allerdings auch den Wandel erkennen, dem sie im Lauf der Zeit unterworfen sind. "Ich befürchte, dass immer mehr von dieser Kultur verloren geht", sagte Floristikmeisterin Anja Faust-Spanier, die zusammen mit ihrem Mann Stefan in Otzenhausen einen Gartenbaubetrieb führt. "Früher lebten die Menschen in Großfamilien zusammen. Starb jemand, so gab es immer ein Familienmitglied, das sich um die Grabpflege kümmerte." Heute sei das schon fast eine Seltenheit, weil die Familienangehörigen nur noch selten am gleichen Ort oder in der Nähe wohnen und deshalb die Grabpflege oft nicht selbst übernehmen können. Großflächige Grabplatten, Rasengräber, Urnenbestattungen, anonyme Beisetzungen und das Aufkommen von Friedwäldern seien die Folge dieses Trends, der sich auch in ihrem Betrieb bemerkbar mache. Trotzdem herrscht im Gartenbaubetrieb Spanier in Otzenhausen seit Wochen Hochbetrieb. Auf vielen Gräbern tauschen die Mitarbeiter die Sommerpflanzen gegen Herbst- und Winterpflanzen aus und gehen dabei auf die vielfältigen Wünsche der Kunden ein. Waren früher Stiefmütterchen und Heide auf den Grabstätten allgegenwärtig, wird heute öfter zu buntblätterigen Stauden gegriffen, die ihre Farbe über Winter nicht verlieren. Immer noch sehr beliebt sind aber auch Gestecke und bepflanzte Schalen, mit denen die Hinterbliebenen die Gräber für die Totengedenktage im November schmücken. Dabei stehen floristische Schmuckteile, die auf die Grabform Rücksicht nehmen, vielfach im Vordergrund. Kissen, Herzen und Kreuze werden in der Formfloristik immer beliebter. "Bei den Gestecken und anderen Schmuckteilen haben wir vor Jahren in erster Linie Tannen und Koniferen verarbeitet", erzählte Anja Faust-Spanier. "Heute finden die Kunden, dass auch zum Beispiel verholzte tropische Pflanzenteile neben Kiefern-, Fichten- und Lärchenzapfen sehr dekorativ aussehen." Ganz wichtig jedoch sei, dass die Floristik zur Grabform passe und dass sie so verarbeitet ist, dass sie Wind, Regen und Schnee überdauert. Von den 180 Gestecken, die die Floristikmeisterin im Laufe des Oktober hergestellt und im Geschäft präsentiert hat, ist jedes ein Unikat. Ein großer Teil der Blumen und Pflanzen zieht die Familie Spanier in ihrem Betrieb selbst heran. Nachgelassen hat nach Angaben der Geschäftsfrau auch die Nachfrage nach Schnittblumen, die speziell für den jeweiligen Totengedenktag gekauft werden. Die gute alte Chrysantheme in all ihren Varianten sei allerdings immer noch begehrt. "Oft empfehle ich auch Rosen. Sie halten fast immer etliche Minusgrade aus. Viele Leute wissen das überhaupt nicht." gtr

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