„Ich bin selbst überrascht“

Saarbrücken · Am Samstag hat Maxim Gorkis Drama „Wassa Shelesnova“ Premiere in der Saarbrücker Feuerwache. Regisseur ist Michael Talke – wir haben bei den Proben mit ihm gesprochen.

 Der Regisseur Michael Talke bei einer Probepause am Staatstheater. Foto: Kerstin Krämer

Der Regisseur Michael Talke bei einer Probepause am Staatstheater. Foto: Kerstin Krämer

Foto: Kerstin Krämer

Er ist kein Mann der moderaten Zwischentöne. Regisseur Michael Talke hat es gern grell, laut, bunt, verzweifelt - oder leise. Text behandelt er als Material: "Ich greife sehr direkt auf die Vorlage zu, verdichte Motive, reagiere rhythmisch, visuell und oftmals mit einer inneren Unruhe, Dinge nebeneinander zu stellen." Nun inszeniert Talke, bekennender Anhänger des literarischen Theaters, fürs Saarländische Staatstheater (SST) Maxim Gorkis Drama "Wassa Shelesnova" und freut sich an den Proben - einmal, weil er "den Transfer älterer Texte" schätzt, zum anderen, weil er das Stück mag: "Es ist merkwürdig roh, grob gezimmert, mit Leidenschaft geschrieben und von explodierender Formsprache."

In Saarbrücken hat Talke bereits "Lola", "Kleiner Mann - was nun?" und "Der goldene Drache" inszeniert, aber auch "Ariadne auf Naxos". Denn das ist das Besondere an Talke: Er ist Schauspiel- und auch Opernregisseur. Als solcher amüsiert er sich über die Vorbehalte, die ihm wegen seiner Zweigleisigkeit bisweilen entgegen schlagen: "Ich mag den Wechsel der Genres, die Herausforderung der unterschiedlichen Arbeitsvorgänge."

Seit 1992 lebt Talke in Berlin und arbeitet seit 1996 als freier Regisseur, so am Schauspiel Hannover, am Hamburger Thalia Theater, am Theater Bremen, den Bühnen der Stadt Köln oder dem Düsseldorfer Schauspielhaus. Geboren 1965 in Mainz und aufgewachsen in Lörrach, studierte er in München Literatur, Geschichte und Theaterwissenschaft und rutschte über Assistenzen am Theater Basel ins Regiefach - an der Berliner Volksbühne arbeitete er mit Größen wie Frank Castorf, Christoph Marthaler und Christoph Schlingensief. Im Gespräch setzt er Besinnungspausen, um gleich darauf in atemlose Wortkaskaden auszubrechen. Regie erlebt er als intuitiven Prozess: "Ich bin am Ende oft selbst überrascht", sagt er.

Gorkis selten gespieltes Stück, in dem unter dem Regiment der Unternehmensleiterin Wassa Shelesnova sämtliche familiären Beziehungen zwecks Gewinn-Maximierung zu Geschäftsbeziehungen pervertiert werden, wird von den deutschen Bühnen gerade wiederentdeckt. Kein Wunder, meint Talke: "Entstanden vor der Oktoberrevolution, kann das Stück als paranoide Zukunftsvision gelesen werden - geeignet, sich an der heutigen Wirtschaftssituation abzuarbeiten." Talke stützt sich dabei auf Gorkis weniger ideologisch motivierte erste Textfassung von 1910 und genießt die Inszenierung auch als Spiel mit der Historie: "Mit großer Lust werfen wir uns auf das Theatrale und spielen mit atmosphärischen Effekten wie der Musik des Hitchcock-Komponisten Bernard Herrmann."

Premiere am Samstag um 19.30 Uhr, Alte Feuerwache. Karten: Tel. (06 81) 309 24 86.

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