Fünf Jahre Nationalpark Hunsrück-Hochwald Ohne Moos ist auch im Nationalpark nix los!

Nohfelden · Warum Moose für den Wald so bedeutungsvoll sind wie das buchstäbliche Salz in der Suppe, das erklärt Nationalparkförster und Naturfotograf Konrad Funk.

 Glashaar-Frauenhaarmoos, Polytrichum piliforum.

Glashaar-Frauenhaarmoos, Polytrichum piliforum.

Foto: Konrad Funk

Wir treten Sie mit Füßen, kratzen sie aus Verbundsteinritzen oder schaben sie vom Dach: Moose – jene Pflanzen, die auf den ersten Blick ein ganz bescheidenes und wenig auffälliges Dasein führen. Dabei sind sie vielfältig im Einsatz. Krippenbauer kennen Moose, wenn sie kurz vor Weihnachten die Dekoration der Weihnachtskrippe zu bewerkstelligen haben. Für Grabstätten-Schmuck und Kränze (Floristik) wurden Moose verwandt. Die Literatur von KNÖRZER aus dem Raum Aachen berichtet, dass aus den hohen Polstern des gewöhnlichen Frauenhaarmooses mit Mooslängen von über 50 Zentimetern Seile hergestellt wurden. Mit dem „Schlafmoos“ – wie könnte es anders sein - hat man zur Zeit der Römer und bis ins 18. Jahrhundert hinein Kissen gefüllt. Torfmoose wurden früher für Wundverbände genutzt, da ihr niedriger pH-Wert den Bakterien entgegen wirkt und die Wundflüssigkeit aufsaugt. Torfmooskompressen für Wunden waren im Ersten Weltkrieg in England sogar Handelsware.

Richtige Moosgärten gibt es in Japan, dort ist „Moss watching“ der neueste Hype. Diese sind auch in den USA derzeit ganz groß in Mode. Beim „Waldbaden“, bei dem man die Natur mit allen Sinnen wahrnimmt, kann man die Sanftheit der Moose gut barfuß erleben. Und für Moosgärten brauchen wir nicht weit zu fahren. Im rheinland-pfälzischen Staudernheim (Nahe) finden Sie den Moosgarten „Nahe der Natur“. „Moosgrün“ als Farbe war sogar namensgebend. Es scheint also doch etwas an diesen winzigen Pflänzchen dran zu sein. In Deutschland gibt es etwa 1000 Moosarten.

Im Wald und gerade in einem Waldnationalpark wie dem Nationalpark Hunsrück-Hochwald sind Moose geradezu so bedeutend wie das buchstäbliche Salz in der Suppe. Moose sind nicht weg zu denken!

Moose besiedeln alle Lebensräume, von extrem trocken – wie zum Beispiel das Zackenmützenmoos auf den Rosselhalden (Blockschutthalden) im Nationalpark bis hin zu den Torfmoosen in den Hangmooren (den im Hunsrück sogenannten „Brüchern“). Viele Moose, insbesondere die Torfmoose, haben gerne das Wasser bis zum Hals stehen, denn sie können – wurzellos wie Moose sind – Wasser und Nährstoffe über die gesamte Oberfläche aufnehmen. Somit können sie blitzartig reagieren, Wasser aufnehmen und zwischenspeichern. Torfmoose können das 20- bis 30-fache von ihrem Eigengewicht (Trockengewicht) aufnehmen. Moose umhüllen kantigen Stein oder bedecken Baumstämme, stehend wie liegend. Wir erkennen die Himmelsrichtung an ihnen, wenn wir beobachten, dass Moose an den stehenden Bäumen auf der Regenseite (Westen) vorkommen.

Viele Dachmoose können Dank ihrer Glashaare (Sonnenlichtreflexion) Hitzegrade von 70 Grad Celsius überleben. Sie sind duldsam und überstehen auch längere Trockenzeiten. Dann verkleinern sie ihre Oberfläche zum Verdunstungsschutz. Wenn der erste Regen fällt sind sie sofort wieder da, wie kleine „Stehaufmännchen“. Diese Erfolgsmodelle der Natur pflanzen sich ähnlich ursprünglich wie unsere Farne über einen geschlechtlichen und einen ungeschlechtlichen Vorgang fort. Und das machen sie altbewährt seit Millionen von Jahren. Kontinuität wie wir Menschen sie heute bei nichts mehr vorweisen können.

Bei der Fortpflanzung spielt die ungeschlechtliche Fortpflanzung wohl eine größere Rolle als die geschlechtliche. Wie groß ist die Chance dass eine Spore an eine Stelle fällt, an der sie überleben kann? Da sind Bruchstücke von Moosen, die überleben und weiter wachsen können, keine Seltenheit. Wenn sich Wildschweine in Suhlen wälzen und dabei Moose „platt machen“ transportieren sie anschließend auch zerkleinerte Moospflänzchen in ihrer groben Schwarte von Suhle zu Suhle, von einem Ort zum andern.

Ich bin unterwegs mit Adam Hölzer, keinem Geringeren, als dem anerkannten Torfmoos-Spezialisten bundesweit. Er hat Biologie und Geographie studiert und war Leiter der botanischen Abteilung und stellvertretender Direktor am staatlichen Museum für Naturkunde in Karlsruhe. Als der Spezialist schlechthin ist er gleichzeitig auch Arbeitsgruppenleiter Moose bei der Pollichia. Seit 1973 widmet er sich den Moosen. Bekannte aus der Forstlichen Versuchsanstalt haben bei ihm angefragt, ob er sich beim Nationalpark Hunsrück-Hochwald einbringen möchte.

Und das macht Hölzer mit Leib und Seele, auch wenn die Fahrt von seiner Heimat Jockgrim, (Nähe Karlsruhe) ein weiter Weg ist. Hier bei uns im Park hat er etwa 6000 Torfmoos-Proben als Belege gesammelt, damit man eine genaue Übersicht über ihre Verbreitung bekommt. Hölzer berichtet mir von der vielfältigen Nutzung der Torfmoose in früheren Zeiten. Von der Beimischung zu Käse ebenso wie als Bestandteil von Wildfutter, letzteres gegen Wildverbiss im Wald. In Estland sollen Torfmoose als Abdichtung von Blockhäusern genutzt worden sein. In der Sowjetunion soll man Torfmoose sogar zu Isolierplatten gepresst haben. Torfabbau spielte in anderen Regionen eine wichtige wirtschaftliche Rolle. In unserer Gegend ist dies nicht belegt. Torf besteht oft zu mehr als 90 Prozent aus Torfmoosen. Bis zu einem Millimeter kann die Mächtigkeit der Moore durch das Wachstum der Torfmoose pro Jahr zu nehmen.

Bei der Erfassung der Torfmoose im Park werden von Hölzer auch Bodenproben gezogen die für die zeitliche Datierung von großer Bedeutung sind. Sein Markenzeichen ist die Lupe, die er sich um den Hals gebunden hat und mit der er ständige die Moose näher in Augenschein nimmt. Und man muss auch schon näher hinschauen, ja mitunter geht diese Bestimmungsarbeit auch nur am Mikroskop zu Hause. Die Ergebnisse dieser Torfmoos-Kartierung sollen nächstes Jahr in einem eigenen Band veröffentlicht werden.

Alle Moose wirken wie ein Puffer. Sie schützen den Boden vor Erosion, nehmen viel Wasser auf, insbesondere Niederschlagswasser, aber auch Tau und Nebel (Schwammfunktion“) und geben es langsam und wohl dosiert wieder an andere Pflanzen ab. So bleiben auch die Vorfluter und Bäche nach Großgewitterereignissen vor Überflutungen geschont. Und die Notwendigkeit des Wassererhalts auf der Fläche, insbesondere im Wald, ist gerade in diesen heißen und trockenen Tagen und letzten Jahren jedem gut verständlich.

Es gibt alleine etwa 40 verschieden Arten von Torfmoosen in Deutschland, (eigentlich viele nur für den Fachmann zu unterscheiden) und 20 davon im Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Das Mittlere Torfmoos oder auch Magellan-Torfmoos „Sphagnum magellanicum“ ist ein typischer Zeiger für gute, intakte Moore, die Torf bilden. Torfmoose sind in der Lage Ionenaustausch zu machen, sie geben Wasserstoff-Ionen ab und binden Kalzium und Kalium. Sie sorgen so dafür, dass das Wasser einen tieferen pH-Wert bekommt, kurzum sauer wird. Damit halten sie sich gezielt Konkurrenzpflanzen, selbst Bäume und Sträucher vom Hals. Aus hartem kalkreichem Wasser wird so langsam weicheres Wasser. Torfmoose können ganze Landschaften prägen.

Unsere Brüche im Nationalpark haben von der früheren Beweidung profitiert, weil so die Baum- und Straucharten zurückgedrängt wurden. Schattenbäume für die Tiere (die heute alten Moorbirken) und die mehrstämmigen Buchen, die ständig für Laub-Heu beschnitten wurden, sind erhalten geblieben.

  Tamarisken-Thujamoos, Thuidium tamariscinum.

 Tamarisken-Thujamoos, Thuidium tamariscinum.

Foto: Konrad Funk
 Thallöses Lebermoos, Pellia epiphylla.

Thallöses Lebermoos, Pellia epiphylla.

Foto: Konrad Funk
 Torfmoos, Sphagnum magellanicum.

Torfmoos, Sphagnum magellanicum.

Foto: Konrad Funk
 Seltenes Torfmoos, Sphagnum papillosum.

Seltenes Torfmoos, Sphagnum papillosum.

Foto: Konrad Funk
 Sporenträger des Glashaar-Frauenhaarmooses

Sporenträger des Glashaar-Frauenhaarmooses

Foto: Konrad Funk
 Der Torfmoospezialist Adam Hölzer bei der Bestimmung von Torfmoosen im Nationalpark.

Der Torfmoospezialist Adam Hölzer bei der Bestimmung von Torfmoosen im Nationalpark.

Foto: Konrad Funk
 Weismoos, Ordensschild genannt, in Fichtenwäldern zuhause.

Weismoos, Ordensschild genannt, in Fichtenwäldern zuhause.

Foto: Konrad Funk
 Torfmoose haben gerne das Wasser bis zum Halse stehen.

Torfmoose haben gerne das Wasser bis zum Halse stehen.

Foto: Konrad Funk
 Zypressen-Schlafmoos, Hypnum cupressiforme, an einer Buche.

Zypressen-Schlafmoos, Hypnum cupressiforme, an einer Buche.

Foto: Konrad Funk
 Zackenmützenmoos, Racomitrium lanuginosum, in praller Sonne. 

Zackenmützenmoos, Racomitrium lanuginosum, in praller Sonne. 

Foto: Konrad Funk
 Bach-Spatenmoos, Scaparia undulata.

Bach-Spatenmoos, Scaparia undulata.

Foto: Konrad Funk
 Gemeines Frauenhaarmoos, Polytrichum commune, im Nationalpark.

Gemeines Frauenhaarmoos, Polytrichum commune, im Nationalpark.

Foto: Konrad Funk

Kommen sie in den Moosgarten Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Die Artenvielfalt wird Sie erstaunen. Und der Eintritt ist frei.

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