Empathie für den Wald wecken Beim Nestbau laufen die Kinder zu Hochform auf

Ottweiler · Ottweiler Kinder-Actiontage: Waldentdeckertour mit Waldpädagoge Michael Müller.

 :Bei der  Waldentdeckertour mit Waldpädagoge Michael Müller lernten die Kinder spielerisch viel Wissenswertes über den Ottweiler Wald. Fotos: Anja Kernig

:Bei der Waldentdeckertour mit Waldpädagoge Michael Müller lernten die Kinder spielerisch viel Wissenswertes über den Ottweiler Wald. Fotos: Anja Kernig

Foto: Anja Kernig

Was ist das denn? Wie Pilze sprießen auf der Lichtung kleine Zylinder aus rotem Plastikgitter rund um einen Baumstumpf aus dem Moos. Gerade noch erzählte Finn von den Rehen, die regelmäßig bei ihm zuhause den Garten besuchen. Nun versammeln sich alle elf Mädchen und Jungen um Waldpädagoge Michael Müller, der zu seinem ersten Mini-Vortrag ansetzt.

Es ist Tag 2 der Ottweiler Kinder-Actionstage, welche die Stadtverwaltung mit der evangelischen Kirchengemeinde ausrichtet. Zum Einstieg hatte Müller Spiegel ausgeteilt. Mit dem sollten sich die zwischen sechs und zehn Jahre alten Entdecker unter Bäume stellen, um so einen Perspektivwechsel zu vollziehen. Nicht alle verstanden, was gemeint ist.

Egal. Wie Müller jetzt erzählt, setzt die Forstverwaltung an der Windwurfstelle auf Naturverjüngung. Sprich, man lässt „Büsche und Dornen“ einfach mal wachsen. Zwischendurch wird punktuell gepflanzt: Laubwald, vor allem Buchen, Eichen und Kastanien. Bisher war die Gemeine Fichte (Picea abies) die häufigste Baumart Deutschlands, mit der sich dank der vielseitigen Verwendbarkeit des Holzes (Papier, Bauholz) am meisten Gewinn erwirtschaften ließ. Doch Hitze, Trockenheit und Versauerung der Böden machen dem Flaggschiff der Forstwirtschaft zu schaffen. Schädlinge haben leichtes Spiel. „Darf ich was zeigen?“, fragt Maxime und hebt ein Aststück auf. „Da haben Borkenkäfer dran gefressen.“ Die vielen feinen Gänge und Tunnel führen zu einem Stabilitätsverlust des Holzes und damit „zu einer erheblichen Wertminderung“.

Und die roten Zylinder? Die sorgen dafür, dass Rehe die zarten Pflänzchen nicht frühstücken, „Wenn die Setzlinge mehrmals verbissen werden, verbuscht die Pflanze.“ Als Nächstes gibt’s eine Fangfrage. Würde man die rosa Kappe mit Glitzersteinchen eines der Mädchen an einen Ast hängen und dort vergessen. Wo wäre sie in 20 Jahren, vorausgesetzt, sie fällt nicht runter? Wäre sie mitgewachsen? In jedem Fall. Allerdings nicht nach oben, wie man im ersten Moment meinen sollte. „Er hängt noch am selben Fleck“, mutmaßt ein Junge völlig korrekt. Anders als bei Pilzen ist das Längenwachstum der Bäume auf einen kleinen Bereich an der Stammspitze beschränkt. Zusätzlich legen sie jedes Jahr an Breite zu.

Als Nächstes hat der gelernte Erzieher und zertifizierte Nationalparkführer Hunsrück-Hochwald das Vogelspiel in petto. Alma kennt es bereits, in der dritten Ferienwoche hatte Jugendpflegerin Ursula Jacoby den Ranger schon mal für eine Waldexkursion gebucht. Aber es macht auch beim zweiten Mal großen Spaß: „Was stört euch früh zu Beginn des Sommers, wenn ihr noch in eurem Bett liegt?“, führt Müller seine jungen Zuhörer an die Thematik heran. Der Hund vom Nachbarn ist nicht gemeint, wohl aber die Vögel. Denn die zwitschern lautstark. Gilt es doch, einen Partner für die Familiengründung anzulocken. Was direkt spielerisch in Zweiergruppen nachgestellt wird: Ein Kind bekommt die Augen verbunden, das andere lockt es mit Vogelstimmenpfeife oder dem Klopfen von Stöcken, das an Spechthämmern erinnert, an. Ganz schön mutig, wie die Mädchen und Jungen quasi blind über den unebenen Waldboden tapsen. „Das war cool“, strahlt Emma hinterher.

Haben sich die Vogeleltern in spe gefunden, wird das Nest gebaut. Jetzt laufen die Kinder zu Hochform auf. Eifrig werden Stöckchen und Moos herbei geschafft. Paul, Ben und Finn polstern ihr „Kinderzimmer“ dick mit Gräsern aus. „Die Eier haben es richtig schön gemütlich“, schwärmt das Trio versonnen, am liebsten würden die Jungs die Deko-Wachteleier gleich selbst ausbrüten. An den Rand legen die gewissenhaften Jungväter Tannenzapfen, „dann fallen die Kleinen nicht raus“, erklärt Ben.

„Ich will keine Experten ausbilden, ich will Empathie wecken und Freude vermitteln“, betont Waldpädagoge Müller im Gespräch mit der Autorin dieser Zeilen. „Der Rest kommt von selbst.“ Der Bezug zum Wald, zur Natur ist längst nicht mehr selbstverständlich für viele Kinder. Wenn überhaupt, wird er noch am ehesten von den Großeltern vermittelt. „Ich höre oft: Das hat mir der Opa gesagt.“ Und schon wird der Experte wieder gebraucht: „Michael“, ruft eine kleine Gruppe aufgeregt, „wir haben eine Mini-Tanne gefunden.“

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