Je näher an der Wirklichkeit, desto besser

Freisen · Dauer-Blaulicht in der Gemeinde Freisen: Kein Unglück, sondern eine gemeinsame Großübung von Feuerwehr und Rettungskräften. In drei verschiedenen Szenarien wurde der Ernstfall unter realistischen Bedingungen geprobt. Im Vordergrund stand die Verbesserung der Kommunikation zwischen Feuerwehr und Rettungsdienst.

 Ein Unfallopfer wird aus einem Pkw gezogen. Ein Helfer spielt den Verletzten.Foto: D. Ames

Ein Unfallopfer wird aus einem Pkw gezogen. Ein Helfer spielt den Verletzten.Foto: D. Ames

Foto: D. Ames

Dauerstress für die Feuerwehren der Gemeinde Freisen und die Rettungskräfte vom Kreisverband des St. Wendeler Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Am Samstag mussten sie dreimal zu Großeinsätzen ausrücken. Dabei ist glücklicherweise niemandem etwas passiert, denn es handelte sich um die Ganztagsübung.

In drei Szenarien wurden verschiedene Unfallsituationen mit Beteiligung eines oder mehrerer Fahrzeuge durchgespielt. Als erstes: Ein Pkw wird bei Fällarbeiten von einem herabstürzenden Baum getroffen. Als ein Waldarbeiter den Fahrer des herannahenden Autos warnen will, wird er von den Ästen erfasst. Ein weiterer Kollege verletzt sich mit der Kettensäge beim Versuch, ihn freizuschneiden und blutet stark. Die Insassen des Pkw sind teils schwer schwerverletzt und im Fahrzeug eingeklemmt. "Dieses Szenario ist völlig neu für die Beteiligten", beschreibt Dirk Schäfer, Pressesprecher der Feuerwehr des Landkreises, die besondere Anforderung dieses Einsatzes. Vor der Übung ist den Rettern nicht bekannt, was genau passiert ist.

Nach dem Notruf sind Feuerwehr und Rettungskräfte innerhalb von drei Minuten am Einsatzort auf dem Feldweg zwischen Freisen und Oberkirchen. Bis alle Verletzten versorgt und die Rettungsarbeiten abgeschlossen sind, vergehen 55 Minuten. Nach dem Einsatz steht für die 75 Beteiligten, darunter acht Notärzte des St. Wendeler Marienkrankenhauses und der Homburger Uniklinik, die Manöverkritik an.

"70 Prozent der Probleme vor Ort sind mangelhafter Kommunikation geschuldet", stellt Jochen Becker, Löschbezirksführer von Freisen , klar. Für den reibungslosen Ablauf in einer Notfallsituation sei es wichtig, dass sich die Rettungskräfte und die Feuerwehr untereinander kennen und die Belange des anderen verstehen; ein wichtiger Grund, die Großübungen gemeinsam durchzuführen. Mike Höll, Lehrrettungsassistent des St. Wendeler DRK: "Die Szenarien sind sehr wirklichkeitsgetreu gestaltet. Damit die Rettungskräfte im Einsatz nicht überfordert werden, sollen sie hier lernen, das Geübte mit der Realität zu verknüpfen."

Unfall-Darsteller im Einsatz

Um die realitätsnahe Darstellung der Unfallopfer kümmert sich die DRK-Abteilung der Realistischen-Unfall-Darstellung (RUD). Bevor es zum nächsten Übungsort geht, modellieren sie mit Wachs, Schminke und Kunstblut die Verletzungen. Klaffende Wunden, Verbrennungen und offene Brüche sind für Thea Lill nach jahrelanger Übung kein Problem. Mit dem Pinsel sorgt sie gerade für den letzten Schliff. Ein Einsatz vor Ort in den Fahrzeugen käme für die Ersthelferin allerdings nicht in Frage. Ihre Kollegin Christin Groß: "Wir werden vorher geschult und müssen uns in die Situation der Unfallopfer hinein versetzen." Wer sich dabei nicht mehr sicher fühle, habe die Möglichkeit, jederzeit auszusteigen.

Für das zweite Szenario klemmt sich Groß hinters Steuer eines Kleinwagens, ruft verzweifelt nach Hilfe beim Eintreffen der Rettungskräfte an der Freisener Hauptstraße in Höhe der Schule. Vor der zerschmetterten Front liegt ein weiterer Wagen, der sich beim Unfall auf die Seite gedreht hat. Die Feuerwehr sperrt den Bereich ab und fixiert beide Fahrzeuge, um die Sicherheit für die Retter zu gewährleisten. In den Fahrzeugen steht der sogenannte innere Retter den Unfallopfern zur Seite. Er sorgt für ständigen Kontakt, beruhigt die festsitzenden Insassen und erklärt was gerade passiert. Nach der ersten Übung läuft nun alles noch reibungsloser. Mit schwerem Gerät werden Türen und Dächer aufgeschnitten, um Zugang zu den Verletzten zu bekommen, die vorsichtig aus den Wracks geborgen werden. 44 Minuten nach der Alarmierung ist der Einsatz beendet.

Dr. Marco Werth ist Oberarzt der Anästhesie am St. Wendeler Marienkrankenhaus: "Solche Situationen sind für unsere Notärzte nicht alltäglich, nur fünf Prozent aller Einsätze sind Unfälle. Darum ist diese Übung so wichtig." Das liege daran, dass schwere Verkehrsunfälle seltener geworden sind.

Aber noch ist nicht Feierabend für Feuerwehr, Rettungsdienst und Notärzte. Am Nachmittag schrillen noch einmal die Alarmsirenen: Ein Pkw wird unter einem Lastwagen eingeklemmt, die Nachstellung eines Unfalls, wie er tatsächlich vor einigen Jahren passiert ist.

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