Nach Beitrag zu Polizeigewalt im Saarland Polizeigewerkschaft erhebt Vorwürfe gegen Saarländischen Rundfunk

Die Gewerkschaft der Polizei übt scharfe Kritik an einem Beitrag zu Polizeigewalt im saarländischen Rundfunk. Sie spricht von „tendenziöser Berichterstattung“ und „Diffamierung“ der Polizei.

SR Beitrag zu Polizeigewalt: Gewerkschaft der Polizei erhebt Vorwürfe
Foto: dpa/Marius Becker

Im „Aktuellen Bericht“ vom 3. April beleuchtete der Saarländische Rundfunk (SR) das Thema Polizeigewalt im Saarland. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wirft dem Sender nun „tendenziöse Berichterstattung“ vor, spricht sogar von „Diffamierung“.

Stein des Anstoßes sind die Thesen des im SR-Beitrag als Experten herangezogenen Kriminologen Tobias Singelnstein, der an der Bochumer Universität zu Polizeigewalt forscht. Er plädiert dafür, unabhängige Ermittlungsbehörden für Polizeigewalt einzurichten, da „die strafrechtliche Aufarbeitung solcher Verdachtsfälle kein besonders gut funktionierendes Instrument ist in Deutschland“. Außerdem fordert er für Polizisten eine Pflicht zu laufenden Bodycams bei Gewalteinsätzen.

Grund dafür ist laut Singelnstein unter anderem ein sogenannter Korpsgeist innerhalb der Polizei – also ein starker Zusammenhalt, ein „Wir“-Gefühl, das laut dem Forscher aber auch dazu führen könnte, dass Ermittlungen in den eigenen Reihen als eine Art Verrat angesehen werden könnten. Wer Kollegen belastet, habe negative soziale Konsequenzen zu befürchten.

Gewerkschaft der Polizei weist Kritik in SR-Beitrag zurück

David Maaß, saarländischer Landesvorsitzender der GdP, kommt im SR-Beitrag auch zu Wort und weist diese Kritik zurück: „Der Korpsgeist ist in meinen Augen nicht dazu da, sich gegenseitig zu decken oder irgendetwas zu vertuschen.“ Stattdessen sei sein Sinn, im Einsatz gefährliche Situationen gemeinsam zu meistern und sich gegenseitig zu stabilisieren.

In den vergangenen vier Jahren wurden nach Behördenangaben 104 Fälle von Polizeigewalt registriert, und in keinem Fall kam es zu einer Verurteilung. Singelnstein nennt das im SR-Beitrag „eine bedenkliche Bilanz“. In einer nach Ausstrahlung des Beitrags veröffentlichten Pressemitteilung der GdP hält Maaß dem entgegen: „Das zeigt uns doch, dass unsere Polizei hochprofessionell auf dem Boden der Gesetze arbeitet und in allen 104 Fällen rechtmäßig Gewalt angewendet hat.“

David Maaß ist Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Saar.

David Maaß ist Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Saar.

Foto: GdP

Zwei Fälle von Polizeigewalt im Saarland, die damals Aufmerksamkeit erregten, werden im SR-Beitrag beispielhaft beschrieben: ein überzogener Schlagstockeinsatz bei einer Demo in Saarbrücken und eine Scheinhinrichtung an der Fechinger Talbrücke. Diese beiden Fälle, wie Maaß in der GdP-Pressemitteilung betont, lägen nicht nur bereits zehn Jahre zurück, sondern hätten auch dazu geführt, dass die jeweiligen Polizisten verurteilt und aus dem Dienst entlassen wurden. „Der Rechtsstaat funktioniert. Von Vertuschung kann absolut keine Rede sein.“

Maaß kritisiert, dass der SR Singelnsteins „zweifelhafte Aussagen“ als Tatsachen darstelle. Der Beitrag basiere auf einer „methodisch zweifelhaften und nicht repräsentativen“ Erhebung Singelnsteins, die auch in der Wissenschaft umstritten sei.

Studie zu Polizeigewalt soll nicht repräsentativ sein

Mit der kritisierten Studie, die im SR-Beitrag nicht explizit erwähnt wird, ist wohl jene gemeint, die von November 2018 bis Januar 2019 im Rahmen des Forschungsprojekts „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ an der Universität Bochum unter Singelnsteins Leitung durchgeführt wurde. Etwa 3400 Menschen, die der Meinung waren, Opfer rechtswidriger Polizeigewalt zu sein, wurden in einem anonymen Online-Fragebogen über ihre Erfahrungen befragt.

Die Autoren der Studie betonen selbst, dass die Ergebnisse der Umfrage nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sind oder sein sollen – stattdessen solle Wissen gesammelt werden über Situationen, „in denen polizeiliches Handeln als nicht mehr verhältnismäßig empfunden wird, und die Perspektiven betroffener Personen untersucht werden“, wie es in einem Zwischenbericht des Forschungsprojektes formuliert ist.

Auch innerhalb der Forschung ist die Studie nicht ohne Kritiker. Maaß findet, sie dürfe aufgrund mangelnder Repräsentativität keine Grundlage für „haltlosen Generalverdacht“ sein. „Nicht der anonym Befragte stellt in unserem Rechtsstaat die etwaige Rechtswidrigkeit polizeilichen Handelns fest, sondern ein Gericht.“

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