Von der ständigen Angst im Arbeitslager

Saarlouis · Solly Ganor überlebte den Holocaust und ist Zeitzeuge des Zweiten Weltkriegs. Auszüge aus seiner Autobiografie las der Schauspieler Thomas Darchinger am Donnerstag im Theater im Ring in Saarlouis.

"Der Krieg kam zu uns ganz plötzlich", erzählt Solly Ganor in seiner Videobotschaft. Er ist Zeitzeuge des Zweiten Weltkriegs und einer der Glücklichen, die den Holocaust überlebt haben. Seine Erinnerungen an Arbeitslager , Angst und Tod hat er unter dem Titel "Das andere Leben - Kindheit im Holocaust " zusammengefasst. Auszüge seiner Autobiografie waren der Inhalt einer Lesung, zu der am Donnerstag rund 400 Schüler des Max-Planck-Gymnasiums Saarlouis ins Theater am Ring gekommen sind.

Die Videobotschaft geht nahtlos in die musikalisch untermalte Lesung über. Der Jazzmusiker Wolfgang Lackerschmid schlägt die ersten Töne auf seinem Vibrafon an, während Thomas Darchinger zu lesen beginnt. Die Kraft in der Stimme des Schauspielers gibt den Erinnerungen von Solly Ganor, damals noch ein Kind, eine besondere Eindringlichkeit. Er beschreibt das alltägliche Leben im Lager, die ständige Angst, die ausgemergelten Gesichter der Menschen. Als "jämmerliche Kreatur" beschreibt Ganor beispielsweise seinen Vater, der wegen der schweren Arbeit kaum noch die Kraft hat, vom Bett aufzustehen. Viele hat die unmenschlich schwere Arbeit und der ständige Hunger das Leben gekostet.

Die gezielte Unterversorgung der Gefangenen ist Grundlage für eine Episode, die Darchinger liest. Bei einem Arbeitseinsatz kommt Ganor zu einem Gasthof und entdeckt im Pferch eines Schweins eine einzige gekochte Kartoffel. Stets die Angst entdeckt zu werden im Hinterkopf, stiehlt er diese, teilt sie mit seinen Kameraden. Ein einziger von der Wirtin geschenkter Laib Brot wird zu einem großen Schatz für die Gefangenen. Als Ganor der Wirtin berichtet, dass die Gefangenen sich zu Tode arbeiten und dabei verhungern, entgegnet sie schockiert: "Ich dachte, das wäre ein Arbeitslager und jeder dort würde anständig versorgt."

Genau diese Unwissenheit war es, die Darchinger angetrieben hat, die Erinnerungen von Ganor zu bewahren und weiterzutragen. "Im Krieg ist das Erste, was stirbt, die Wahrheit", zitiert er einen bekannten Spruch. Und nicht nur die Wahrheit von damals ist wichtig. Jeder solle sich informieren, offen und neugierig sein, appelliert er an die Schüler. Denn jeder sei ein Baustein der Demokratie und müsse sie leben.

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