"Tell" mit Frauenquote

St. Arnual. "Wir lesen jetzt alle gemeinsam laut den Rütli-Schwur vor!" Käme ein Lehrer auf diese Idee, er würde mit großer Wahrscheinlichkeit ungläubige Blicke ernten

St. Arnual. "Wir lesen jetzt alle gemeinsam laut den Rütli-Schwur vor!" Käme ein Lehrer auf diese Idee, er würde mit großer Wahrscheinlichkeit ungläubige Blicke ernten. Laut vorlesen, noch dazu einen Text aus dem "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller, dessen Sprache Jugendlichen heute so fremd anmutet? Was im Deutschunterricht als Pflichtübung empfunden würde, macht im Theater Überzwerg Spaß. Hier schlüpfen 30 Leute aus dem Publikum in die Rolle der Verschwörer aus den Waldstätten Uri, Schwyz und Unterwalden, festentschlossen, ihr Land von der Tyrannenherrschaft der Vögte Kaiser Albrechts zu befreien. Sind es in Schillers "Wilhelm Tell" ausschließlich Männer, die den Unterdrückern die Stirn bieten, besteht Hannah (Isabelle Groß de García), die Darstellerin der Hauptfigur in "tell TELL" beim Rütli-Schwur auf Einhaltung der Frauenquote. Überhaupt spielt die junge Mutter als Mitglied des "Dramenterzetts", einer semiprofessionellen Theatertruppe mit notgedrungen minimalistischem Konzept, in diesem männerdominierten Stück überhaupt nur mit, nachdem Chefschauspieler André (Nicolas Bertholet) ihr die Hauptrolle des Wilhelm Tell zugesteht und ihren Mann Heiner (Reinhold Rolser) dazu verdonnert, ihr in wichtigen Szenen den brüllenden Säugling abzunehmen. Diese komikgeladene Konstellation dient als Rahmenhandlung für den Klassiker, der in "tell TELL" auszugsweise als "Stück im Stück" auf die Bühne kommt.Auf diese Weise erleichtern Autor Albert Frank und Regisseur Bob Ziegenbalg ihrem jugendlichen Publikum (ab 15 Jahren) den Zugang zu dem klassischen Drama, das im Saarland aktuell Pflichtlektüre für die Klassenstufe zehn ist. "In Gesprächen mit Lehrern haben wir erfahren, dass sich viele Schüler mit Schillers Sprache sehr schwer tun, und haben uns überlegt, wie wir den Wilhelm Tell so bearbeiten können, dass es den Schülern Spaß macht, sich mit dem Stück zu beschäftigen", erzählt Bob Ziegenbalg. Im Auftrag des Theaters Überzwerg bearbeitete Albert Frank den Originaltext, Bob Ziegenbalg übernahm die Inszenierung. Herausgekommen ist eine - auch für Erwachsene sehenswerte - unterhaltsame Mischung aus Originaltexten und Theaterparodie inklusive gelegentlicher Publikumsbeteiligung.

Dass das Konzept "zeitgenössische Rahmenhandlung plus Originaltexte" aufgeht, bewies das Duo Frank/ Ziegenbalg bereits mit dem Vorgängerstück von "tell TELL", "fast Faust", das in Cottbus seit 2001 mit großem Erfolg läuft.

Die Uraufführung von "tell TELL" am Sonntag, 26. Februar, 19.30 Uhr, ist zugleich die erste Überzwerg-Premiere des Jahres 2012. Weitere Vorstellungen im März und April. Kartenreservierung unter Tel. (0681) 9 58 28 30.

ueberzwerg.de

"In Gesprächen mit Lehrern haben wir erfahren, dass sich viele Schüler mit Schillers Sprache

sehr schwer tun"

Regisseur Bob Ziegenbalg

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort